Zum "Karpfenschmaus" der hochbetagten Altriper Männer

Immer wieder wird die Frage gestellt: "Warum werden nur die über 80-jährigen Männer beim Altriper Fischerfest zum traditionellen Karpfenessen eingeladen?"

Vielfach wird behauptet, dass dies der Sportanglerverein in einer Urkunde so festgelegt habe. Unter dem 6. Juli 1952 schrieb der Sportanglerverein in einer der Gemeinde übergebenen Urkunde lediglich: "Als Träger der Tradition übergibt der Sportanglerverein Altrip zum Gedenken an die alten Fischerpioniere, die uns die Bräuche der Fischerzunft von alters her überlieferten, zur Ehrung der Heimatgemeinde Altrip, dem ältesten Fischerdorf am Rhein, das Symbol der Tradition in der Form eines prächtigen Karpfens." Eine Festlegung, dass das kapitale Schuppentier nur die hochbetagten Männer verspeisen dürfen, war damit allerdings nicht verbunden. Der Grund für diese Regelung ist ein ganz anderer.

Nach der Frankenherrschaft wurde in der Fürstenzeit die Jagd und der Fischfang zum Regal (Vor- und Alleinrecht) des Königs. Der Landherr vergab die Fischerei an so genannte Beständer, erhob dabei aber Ansprüche auf die "besseren" Fische, die Bann- oder Präsentfische, gemeinhin auch als "Herrenfische" bekannt. Die gewöhnlichen Fische hingegen durften die Fischereiberechtigten selbst verwerten. Herrenfische waren etwa Salme und Störe, aber auch zeitweise Karpfen, Hechte und Lamprieden. Der Karpfen war schon seit jeher das Wahrzeichen der Altriper. Es ist daher niht verwunderlich, dass das älteste Gasthaus "Zum Karpfen" heißt (derzeit geschlossen) und die Altriper zum Königsempfang von Maximilian in Speyer seinerzeit einen Festwagen mit einem Lebendem Karpfen präsentierten, der in der Luft noch einige "Schneller" machte.

Ob die Gemeindeväter von Altrip, die seit 1958 das Fischefest von der Kommune austragen lassen, sich heute nicht mehr an die, der hohen Obrigkeit abzuliefernde Fische erinnerten, die Altriper Männer als die direkten Nachfahren der einst weithin berühmten Fischer ehren wollten oder ganz pragmatisch dachten, dass es weniger über 80-jährige Männer als Frauen gibt, sei dahingestellt. Die speisende Herrenriege war auch noch nie auf einen Zufallsfang des Sportanglervereins bei dem früher üblichen Fischerfest-Wettangeln angewiesen. Das Fischmahl spendiert vielmehr die jeweilige Fischbäckerei, und zwar in genügend größen und zahlenmäßig ausreichenden Portionen.

Doch schon frühzeitg regte sich der weibliche Futterneid. So probte die lang gediente Leichenwäscherin Elise Hook, bekannt als "die Baxen", den Aufstand gegen die männliche Bevorzugung. So soll sie einmal gemeint haben: "Isch det jo liewa en alde Fisch verbutze, wie en noch so guude alde Mann wäsche!" Doch beim damaligen Bürgermeister Michael Marx hatte sie ebenso wenig Erfolg wie später der Vorstoß einer Gemeinderätin, die auf Gleichberechtigung von Mann und Frau verwieß.

Bei der Tradition geht es aber nicht nach heutigen Maßstäben, sondern nach alter Überlieferung. Eine alte Fischerweisheit besagt auch: "Hast du eine Karpfenschuppe (Spiegel) im Geldbeutel, dann ist er nie leer!" Außer der Schuppe? Und noch eine Weisheit ist von den alten Fischern überliefert, die allerdings immer zutrifft: "Kriechen in den Auwäldern die Weinbergschnecken an den Bäumen hoch, muss mit Hochwasser gerechnet werden."

(Wolfgang Schneider / Juli 2005) 
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