Währungsreform: 124.610 Deutsche Mark für 3114 Altriper

Im 20. Jahrhundert haben zwei Währungsreformen den Alltag der Menschen in Deutschland geprägt: die erste 1923, die zweite am 20. Juni 1948. In Altrip wurde die neue D-Mark unter schwer bewaffnetem Geleitschutz angeliefert und dann im Rathaus und in einem Schulsaal an die Bevölkerung ausgezahlt.

Die erste Währungsreform traf die Menschen im November 1923. Die gebürtige Altriperin Elisabetha Bradneck (1892-1978) berichtete in ihren Lebenserinnerungen sehr anschaulich darüber: „Schon seit Kriegsbeginn 1914 gab es eine ständige Geldentwertung. Kupfermünzen wurden durch Eisen und Aluminium ersetzt und auch die Goldmark des Kaiserreiches musste abgegeben werden.” „Gold gab ich für Eisen”, war ein bekannter Spruch nach den Sammelaktionen.

Und trotzdem ging dem Staat das Geld aus. Die Kriegsgefangenen in den Altriper Ziegeleien bekamen gar nur ein spezielles Lagergeld. 1923 war die höchste Banknote 100 Billionen; zwei Jahre zuvor war es noch der 1000-Mark-Schein. Der protestantische Dorfpfarrer stellte für die Kollekte sonntags gar einen Wäschekorb auf. Häuser wechselten für ein „Appel und ein Ei” den Besitzer und ein Schlager jener Zeit war „Wir versaufen unser Oma ihr klein Häuschen”. Dann kam 1923 die Währungsreform und über Nacht wurden „Schuldenbuckel” schuldenfrei, während Sparer alles verloren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg galt bis zur Währungsreform offiziell noch die Reichsmark. Doch (Ami-)Zigaretten, Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände stellten auf dem blühenden Schwarzmarkt die eigentliche Währung dar. Der frühere Leiter der Gemeindekasse in Altrip, Willi Hochlehnert (1920-1987), war für den reibungslosen Ablauf der Währungsreform am 20. Juni 1948 in Altrip zuständig. Im Vorfeld wurden alphabetische Personenlisten angelegt, im Rathaus und einem Schulsaal „Schalter” eingerichtet und ein Großteil der Gemeindebeschäftigten eingeteilt.

Obwohl erst am Abend des 18. Juni 1948 die Bevölkerung in den Westzonen übers Radio nähere Einzelheiten erfuhr, war zuvor „durchgesickert”, dass sich in Sachen Währung etwas tue. Waren wurden deshalb teilweise zurückgehalten und gehortet. Über den „Tag X” berichtete der verstorbene Kassenleiter Hochlehnert: „Die neue Währung, die ,Deutsche Mark” wurde mit einem Militär-Lastwagen, auf dem Soldaten mit Gewehren im Anschlag saßen, zum Rathaus gebracht.

Währungsreform 1948: Unter strenger britischer Bewachung werden Lastkraftwagen mit Kisten vor dem Gebäude der Hamburger Landeszentralbank abgeladen. Die scharfe Absperrungsring um das Bankgebäude lässt vermuten, dass das neue Geld in das Bankgebäude eingeliefert wird. | Quelle/Foto: BundesarchivWährungsreform 1948: Unter strenger britischer Bewachung werden Lastkraftwagen mit Kisten vor dem Gebäude der Hamburger Landeszentralbank abgeladen. Die scharfe Absperrungsring um das Bankgebäude lässt vermuten, dass das neue Geld in das Bankgebäude eingeliefert wird. | Quelle/Foto: Bundesarchiv

Zunächst gab es ein ,Kopfgeld” von 40 Deutsche Mark - vorausgesetzt, dass mindestens genau so viele Reichsmark abgeliefert wurden. Vorzulegen war die Kennkarte und die Lebensmittelkarte. Zwei Tage vor der Reform kam die Order nach Altrip, dass drei Zahlstellen mit je sechs Personen einzurichten wären. In drei Kisten wurde das „Neugeld” antransportiert. Genau 124.610 neue Deutsche Mark wurden an 3114 Personen mit vollem Kopfgeld ausgezahlt.”

Nur eine Person erhielt ein Teilgeld. Außerdem gab es ein Manko von einem Kopfgeld, also von 40 Mark. 186.785 Reichsmark wurden abgeliefert. Jede Zahlstelle bestand aus je einem Orientierer, Karteiführer, Schreiber, Altgeldmann, Neugeldmann und Gutscheinaussteller. Außerdem musste die Gemeinde einen Gendarmen und einen Gemeindediener bereithalten. Es gab keinerlei Gedränge und im September gab es nochmals 20 Mark an 827 Berechtigte.

Währungsreform 1948: Menschenschlange vor einer Umtauschstelle am Wittenbergplatz in West-Berlin | Quelle/Foto: BundesarchivWährungsreform 1948: Menschenschlange vor einer Umtauschstelle am Wittenbergplatz in West-Berlin | Quelle/Foto: Bundesarchiv

Der spätere Bürgermeister Michael Marx stand übrigens zu jener Zeit einer Zahlstelle vor und Werner Hook war „Neugeldmann”. „Verlierer der Reform”, so Hochlehnert, „waren die reinen Geldbesitzer, während die Besitzer von Grund und Boden, von Immobilien und Waren fein heraus waren.” Jedenfalls waren die Schaufenster plötzlich voll mit Waren und der Schwarzhandel brach zusammen.

Für eine Übergangszeit galt das alte Kleingeld weiter. So galten alte Einmarkscheine als Zehnpfennigstücke. Später wurde anstelle von Hartgeld, ab 50 Pfennig aufwärts, auch Papiergeld ausgegeben. Für 100 Mark Altgeldguthaben gab es 6,50 Deutsche Mark und Verbindlichkeiten wurden im Verhältnis 10:1 gekürzt. Schon bald verschwand der größte Teil an Lebensmittelkarten und Bezugsscheinen; die letzten allerdings erst im Mai 1950. Mit der Deutschen Mark kehrte wieder Zuversicht bei den Menschen ein und noch heute trauern ihr - Stichwort: „Teuro” - nicht wenige nach.

(W. Schneider | 2008)
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