Rätselhaftes Siebenergeheimnis

Untersuchungen an Seckenheimer Grenzsteinen von 1774 und 1779 auf heutiger Altriper Gemarkung (April – Juni 2009)

Schon immer bestand in allen bäuerlichen Hochkulturen die Notwendigkeit, Grenzen zu markieren. Anfangs behalf man sich mit natürlichen Grenzmerkmalen wie z.B. Bach- und Flussläufen, natürlichen Geländeformationen, einzeln stehende Bäume, Felsen oder ähnlichem.

Von den Römern wurden dann die Sitten und Gebräuche der Grenzsteinsetzung übernommen. Aber erst im Mittelalter hat man in der Pfalz grob behauene Steine zur Grenzmarkierung verwendet. Das Setzen der Steine wurde in der Regel von sieben Männern (Siebener) ausgeübt. Sie wurden Feldgeschworene genannt, wurden aus den Reihen der Gemeinde-mitglieder ausgesucht und vom jeweiligen Hoheitsträger feierlich vereidigt. Eine „Ordnung für Feldschieder“ aus dem 16. Jahrhundert nennt die 7 Voraussetzungen für eine Ernennung.

Das Wort „Grenzstein“ ist neueren Datums. Früher sprach man von einem Bann oder einer Mark. Daher bedeutet z.B. das Wort „verbannen“: aus den Grenzen seines Machtbereichs ausweisen. Auch das Wort „markieren“ hat hier seinen Ursprung. Neben den üblichen Angaben (Ortszeichen, Wappen, Jahreszahl, lfd. Nummer) befindet sich auf der Kopfseite jedes Grenzsteins eine Rille, die den weiteren Grenzverlauf angibt, die sogenannte Weisung. Dieses Wort hat auch im allgemeinen Sprachgebrauch (Bedeutung: Auftrag, Befehl) richtungweisende Bedeutung.

Ändert die Grenze die Richtung, dann werden sogenannte Haupt- oder Ecksteine gesetzt. Die dazwischen stehenden Steine werden als Läufer bezeichnet. Bereits die Römer legten beim Setzen der Grenzsteine Münzen der regierenden Kaiser unter die Steine. Die Feldge-schworenen hatten ähnliche Methoden. Sie legten Erkennungszeichen (Steine, Ton- oder Glasscherben) so unter die Steine, dass auch gewiefte Grenz-Betrüger das Geheimnis nicht lösen konnten. Dieses sogenannte „Siebener-Geheimnis“ wurde unter den Feldgeschworenen von Generation zu Generation weitergegeben. Außenstehenden wurde das Geheimnis unter keinen Umständen verraten.Rätselhaftes Siebener-Geheimnis

Ich habe versucht, die Einleitung so kurz wie möglich zu halten. Aber ich wollte nicht ganz darauf verzichten, damit auch Laien meinen Bericht besser verstehen. Bereits als Kind hat mich ein Grenzstein Nr. 3 nahe der „Dunnerswies“ fasziniert, da er von 1779 war und mir uralt vorkam. Nachdem unsere drei Kinder groß waren, und ich öfters mit unserem Westi „Alfi“ im Wald unterwegs war, wollte ich mehr über diesen Grenzstein wissen. Ich wandte mich deswegen an die „Pfälzische Arbeitsgemeinschaft für Grenz- und Flurdenkmäler“. Dort habe ich weitere Informationen erhalten. Mittlerweile bin ich ehrenamtlicher Mitarbeiter für Grenzsteine beim Landesamt für Denkmalpflege.

Im Jahr 1995 begann ich anhand von alten Landkarten, ausgehend von der Nr. 3 die Grenzsteine des „Hinteren Seckenheimer Rieds“ aufzuspüren. Ursprünglich waren 52 Grenzsteine aus der Zeit 1776/1779 vorhanden. Nachdem der Stein Nr. 12 gefunden und erfasst war, sah ich zufällig, dass sich 10 m in nordöstlicher Richtung ein weiterer Grenzstein in Hanglage befand. Rätselhaftes Siebener-GeheimnisEs handelt sich um einen Eckstein, versehen mit dem Seckenheimer Ortszeichen und der Jahreszahl 1774. Auf eine vollständige Freilegung habe ich verzichtet, da der weitergehende Grenzverlauf Priorität hatte. Irgendwann später kam mir die Idee, dem Stein das Siebener-Geheimnis zu entreißen. Ich dachte, die Hanglage würde mir das Freilegen des unteren Steinbereichs erleichtern.

Nachdem diese Idee lange Jahre in mir schlummerte, entschloss ich mich, nun endlich zur Tat zu schreiten. Am 8. April 2009, einem nicht zu heißem Frühlingstag, packte ich meine Grabungsutensilien ein und macht mich auf den Weg. Besagter Stein stand noch ganz unberührt im Gebüsch. Leider musste ich feststellen, dass er doch nicht so direkt am Abhang stand. Dies bedeutete mehr Arbeit. Wurzeln und ein fester Lehmboden machten mir und dem Klappspaten das Leben schwer. An diesem Nachmittag schaffte ich es bis zum Fuß des Steines im Bereich der Vorderseite zu graben.

Rätselhaftes Siebener-GeheimnisDer Stein hat folgende Ausmaße: 28 cm breit, 28 cm tief, 106 cm hoch. Da er nur ca. 30 cm aus dem Boden schaute, war die Grube gute 75 cm tief. Wie bereits erwähnt, befindet sich auf dem Kopf eine rechtwinklige Weisung. Auf der Vorderseite befindet sich oben das Ortszeichen von Seckenheim. Darunter steht die Jahreszahl 1774. Unter der Jahreszahl steht die Zahl 48, allerdings ohne „N“, das auf eine laufende Nummer hinweisen würde.

Grenzsteine sind meist nur zur Hälfte behauen, damit sich die raue, untere Hälfte im Erdreich verkeilt und so ein Absinken des Steins verhindert. Hier ist am Übergang zur unteren Hälfte eine waagerechte Markierung angebracht. So etwas habe ich an den anderen Grenzsteinen noch nicht gesehen. Mitten auf dem Stein, in Höhe der Marke, ist etwas abgeplatzt. Als ob ein Laie etwas einmeißeln wollte.

Nach einer alten Karte muss dieser Stein das Gebiet der „Seckenheimer Riedgemeinde der 48 Stämme“, einer Art Genossenschaft, markiert haben. Deshalb die 48 ohne zusätzliches „N“. Auffällig sind die unterschiedlichen Schreibweisen der Zahl 4. Anhand der Meiselspuren ist davon auszugehen, dass der Stein einige Zeit vor 1774 gesetzt wurde. In 1774, also zwei Jahre vor der Vermessung des gesamten Gebiets, ließ die Genossenschaft ihr Gebiet wohl nochmals vermessen, um einem Gebietsverlust vorzubeugen.

Rätselhaftes Siebener-GeheimnisIch musste leider feststellen, dass man hier mit dem Klappspaten nicht weiterkam, zumal das Loch für Grabungen unter dem Stein zu tief und zu schmal für meine Figur war. So beschloss ich, die Suche mit einem Gartenspaten zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Aufgrund des engen Schachtes stieß ich während der Grabung mehrmals am Stein an. Dabei fiel mir auf, dass das Material im oberen Bereich massiv klang. Je tiefer ich klopfte, desto hohler klang es. So kam ich auf den Gedanken, im Stein müsse irgendwo ein Hohlraum sein.

Bedingt durch private Termine fiel die Pause etwas länger aus. Erst am 2. Juni setzte ich nachmittags die Ausgrabung fort. Zuerst wurde der vorhandene Schacht so erweitert, dass ich in der Hocke bis zum Stein-Ende kam. Vor dem Stein grub ich noch 30 cm tiefer, ohne auf Fundstücke zu stoßen. Durch das Gewicht war der Lehm unter dem Stein so hart, dass das Erdreich nur mit einem stabilen Schraubendreher gelockert werden konnte. Mit einer kleinen Kelle arbeitete ich mich unter dem Stein bis zur Mitte vor. Leider ohne Ergebnis. Auch hier grub ich bis in eine Tiefe von 30 cm. Da ich ohne Spiegel die Unterseite des Steins nicht näher untersuchen konnte und auch keine Funde machte, brach ich etwas frustriert die Grabung ab. 

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