1894 nach einem Brand wieder errichtet: Die protestantische Kirche von Altrip

Der nachfolgende Artikel wurde anlässlich der Einweihung der Kirche im Oktober 1894 veröffentlicht (Quelle: Archiv Karlsruhe)


Zur Einweihung der Protestantischen Kirche in Altrip am 21. Oktober 1894

Am 27. November 1891, nachmittags gegen 2 Uhr, verkündeten die Sturmglocken den Brand der prot. Kirche zu Altrip. Entsetzen herrschte unter der Bevölkerung, als mächtige Rauchwolken, die Luft verfinsternd, himmelan fliegen, riesigen Feuergarben den Weg bereiten. In Schutt und Trümmer sank das altehrwürdige Gotteshaus. - Darüber sind beinahe 3 Jahre verflossen.

Fest-Programm für die Einweihung der Protestantischen Kirche in Altrip am 21. Oktober 1894Fest-Programm für die Einweihung der Protestantischen Kirche in Altrip am 21. Oktober 1894Wiederum verkündigt der Glocken Schall der Gemeinde ein mächtig Ereignis. Doch es ist kein Wimmern und Klagen, das heute dem ehernen Mund entquillt. Nein, heller, lauter Jubelklang begrüßt den Tag des Herrn. Dürfen sie doch heute zum erstenmale der Gemeinden die frohe Kunde bringen: Euer Gotteshaus ist neu erstanden! Strömt herzu, freuet euch, bringet Gott die Ehre.

Freuet Euch! Denn in einem schöneren Gewande als zuvor ist es erstanden. Neu sind insbesondere auch Orgel und Geläute. Neu - nur nebenbei sei es erwähnt - erscheint auch das Pfarrhaus, das innen wie außen eine gründliche Renovation erfuhr, sodaß es sich der freundlichen Kirche ebenbürtig zurseite stellen kann.

Neu endlich, mit Freude darf ichs sagen, war auch die Witterung. Nicht ängstlich hütete die Sonne ihre wärmenden Strahlen. Ein freundlicher Himmel lächelte nach vielen trüben Tagen hernieder. So waren dem alle Momente gegeben zur würdigen Feier des Festes.

In kurzen Zügen sei nun der Verlauf derselben geschildert. Gegen dreiviertel 10 Uhr war der Festzug i Schulhof aufgestellt. Die Mädchen in weißer Kleidung voran., blaue Kränze auf dem Haupte, ihnen nach die Knaben, mit Schärpen und Fähnchen ausgerüstet. Fürwahr, ein herrlicher Anblick. Im Anschluß an die Schuljugend folgte die Festmusik, angeführt von der Stadtkapelle Ludwigshafen. Hinter dieser Presbyterium und Ortspfarrer, welche zuvor Abschied von dem seither zum Gottedienst bestimmt gewesenen Schulhaussaale genommen hatten. Als Vertreter der hohen Kirchenbehörde folgte alsdann Konsistorialrat Dr. Leuser, assistiert durch den R.Dekan, Kirchenrat Lunker und den Kapitelsenior Pfarrer Berkmann. Namens der hohen R.Regierung war der R.Bezirksamtmann Glaser aus Ludwighafen a. Rh. erschienen. Ihm zurseite gingen Bürgermeister und Adjunkt der Gemeinde. Hinter diesen fand der Gemeinderat und endlich die Gemeinde Aufstellung.

Präzis um die bestimmte Zeit setzte sich der Zug unter Absingen des Liedes: "Allein Gott in der Höh sei Ehr" in Bewegung. Sein Weg führte durch die aufs prächtigste mit Blumen und grünem Gewinde, mit Flaggen und Wimpel geschmückte Hauptstraße bis vor die Kirche, woselbst die Schuljugend in Spalierstellung aufmarschierte.

Nach wenigen Worten, die Uebergabe des Gotteshauses betreffend, fand nunmehr der Einzug in dasselbe statt.

Begleite von Orgel und Posaunenchor sang die Gemeinde die erste Strophe von "O heil'ger Geist". Hierauf folgte Weihrede und Einweihung durch den Vertreter der hohen Kirchenbehörde. Im Anschluß hieran sang die Gemeinde und zwar wiederum von Orgel und Festmusik begeleitet, die erste Strophe von "Jehova". Alsdann erfolgten Ansprachen seitens des R.Dekans und Kapitelseniors. Das Männerquartett Altrip erfreute die Gemeinde mit einem passenden Chor, worauf diese die 2 ersten Strophen aus "Dank und Anbetung bringen wir" anstimmte; die erste Strophe ohne, die zweite mit Begleitung durch die Festmusik. Die Festpredigt hielt der Ortsgeistliche Pfarrer Buchholz an der Hand von Matth. 8, 23-27. Sein Thema "Unsere Kirche im Bilde des Wunders auf dem See" zergliederte er in 3 Teile: nämlich 1. Unserer Kirche Beruf, 2. Unserer Kirche Gefahr, 3. Unserer Kirche Rettung.

Die Festpredigt machte einen gewaltigen Eindruck, der durch den unvergleichlich schönen Chor "Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre", vorgetragen durch 3 Altriper Gesangvereine, noch erhöht wurde.

Mit "Bebet", dem Schlußgesang "Nun danket alle Gott" und dem Segen endete der kirchliche Teil der Feier.

Die Schuljugend mit Ausnahme der Konfirmanden empfing dann Brezeln, während die Konfirmanden mit Jugendschriftchen bedacht wurden.

Mittags 1 Uhr fand im "Schwanen" ein gutbesuchtes Festessen statt, welches, durch treffliche Trinksprüche gewürzt, einen animierten Verlauf nahm.

Um 3 Uhr versammelten sich Gemeinde und Gäste im "Rheintal", woselbst die Musik konzertierte und wo man Gelegenheit hatte, eine Reihe von warmempfundenen Ansprachen zu vernehmen.

Die Begrüßung der Festversammlung übernahm der Ortsgeistliche Pfarrer Buchholz.

Nach ihm sprachen Professor Gümbel und Pfarrer Hoffmann aus Speier. Ersterer sog in meisterhaften Worten eine Parallele zwischen dem Aufbau der Kirche und dem geistigen Aufbau des Menschen; Letzterer schilderte in glühender Farbe die Bedeutung eines Gotteshauses.

Lautlos folgte die Versammlung den hochbedeutsamen Worten der Redner.

Nachdem noch Lehrer Steil den Förderern des Baues, Lehrer Eckstein den Gästen und Stadtvikar Schwarz aus Ludwighafen der opferwilligen Gemeinde den Dank ausgesprochen, war diese Feier beendet.

Um aber auch dem Teil der Gemeinde, der infolge Platzmangels an der Nachmittagsfeier nicht teilnehmen konnte, Rechnung zutragen, fand abends 8 Uhr "Familienabend" in der Wirtschaft "zum Himmelreich" statt. Die Beteiligung hieran war so stark, daß der sehr große Saal bei weitem nicht ausreichte. Eröffnet wurde die Feier durch Lehrer Eckstein, mit einer Begrüßungsansprache. die in einem "Hoch" auf unser Regentenhaus endigte.

Hierauf folgten - unterbrochen durch allgemeine Gesänge, sowie durch deklamatorische Vorträge der Schuljugend - eine herzliche Ansprache des Pfarrers Buchholz über Familie und Haus, dann eine solche seitens des Lehrers Bollenbach über den Gesang und endlich ein schwungvolles Hoch seitens des Schulverwesers Zaun auf die Damen.

So flossen die wenigen zur Verfügung stehenden Abendstunden dahin, und man trennte sich mit der Befriedigung, einen herrlichen, unvergesslichen Tag erlebt zu haben.

E.

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