Von 1800 bis 1910 hatte sich die Einwohnerzahl der Rheingemeinde auf 2313 erhöht und damit verzehnfacht. Während die Gemeinde dieser Entwicklung durch den Bau von zwei Schulgebäuden 1885/86 und 1904 Rechnung trug, fehlten jedoch jegliche Betreuungsmöglichkeiten für Kleinkinder und Kranke.

Nach Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 1883 federte die „Gemeinde-Krankenversicherung Altripp“ bis zur Gründung der Allgemeinen Ortskrankenkassen (1914) die materielle Not ab. Bei freier Arztwahl gab es Leistungen für Arznei, Brillen und Prothesen und die Arbeiter erhielten bis zu 13 Wochen die Hälfte ihres Lohnes.

Seit 1903 kümmerte sich auch ein Dorfarzt um die körperlichen Gebrechen und ein Barbier zog den Altripern die Zähne. Die Großfamilie, mit zum Teil sieben und noch mehr Kindern, herrschte vor und viele Frauen mussten daher in den Ziegeleien, auf deren angeschlossenen Gütern oder in der eigenen Landwirtschaft mitarbeiten. Ein großes Problem war daher die Betreuung der Kleinkinder. Der protestantische Pfarrer Jakob Häberlein ergriff daher die Initiative zur Gründung einer Kleinkinderschule, die 1908 in einem Schulsaal mit 130 Kindern und nur von einer einzigen Diakonissin betreut, ihren Dienst aufnahm. Doch Pfarrer Häberlein wollte mehr.

Jakob Lutz (1882-1964): Er war 50 Jahre Mitglied, davon 41 Jahre im Vorstand (2. Vors., Rechner, Schriftführer und zeitweise gar Vorsitzender, eine Position, die üblicherweise dem Pfarrer gebührt.Jakob Lutz (1882-1964): Er war 50 Jahre Mitglied, davon 41 Jahre im Vorstand (2. Vors., Rechner, Schriftführer und zeitweise gar Vorsitzender, eine Position, die üblicherweise dem Pfarrer gebührt. Am 27. November 1910 kam es im Anschluss an einer von ihm einberufenen Gemeindeversammlung zur Gründung des „Evangelischen Krankenpflegevereins Altrip“. Schon ein Jahr später ging die Kleinkinderschule in die Trägerschaft des auf „Evangelischer Kranken- und Kinderpflegeverein“ erweiterten Vereins über. Das große Liebeswerk des Pfarrers fand am 21. Juni 1914 mit der Einweihung eines „Stationsgebäudes“ in der Luisenstraße, bestehend aus einer Kinderschule nebst Krankenstation und Schwesternwohnungen, seine Erfüllung.

Die Diakonissentracht mit einem Kleid aus blauem Stoff und hellen Tupfen, einer angesteckten Schürze und der unter dem Kinn gebundenen weißen Rüschenhaube, gehörte fortan zu den Erkennungsmerkmalen der Gemeindediakonie. „Bei der Pflege männlicher Kranker dürfen der Schwester keinerlei Verrichtungen zugemutet werden, welche der weiblichen Sittlichkeit widerstreben“, war für die „evangelischen Jungfrauen“ zwischen 18 und 35 Jahren festgelegt.

Während des so genannten „Dritten Reiches“ konnte der Verein sowohl die „Kinderschule“ als auch die Krankenpflege mit Diakonissen weiter betreiben. Und schon 1949 war der Verein mit rund 700 Mitgliedern der weitaus größte Verein im Ort.

Doch während des Wirtschaftswunders drohte dem Verein Ungemach. Ab 1. April 1961 musste der Verein eine „freie“ Krankenschwester einstellen, da keine Diakonissin mehr zugeteilt werden konnte. Die Kinderschule wurde jedoch noch von Diakonissen geführt. Ständig musste der Verein aber Geld erbetteln.

1969 ging der Kindergarten in der Trägerschaft der Protestantischen Kirchengemeinde Altrip über, was bis heute auch so blieb. Der Verein trägt seither den Namen „Evangelischer Vereins für Krankenpflege e.V. Altrip“. Anfang der 1970er Jahre war mehr als die Hälfte der aktiven Diakonissenschwestern zwischen 60 und 73 Jahren und durch das gestiegene Lebensalter sowie der erhöhten Einwohnerzahl nahm der Bedarf an ambulanter Pflege stark zu. Die Lösung des Problems erfolgte über die vom rheinland-pfälzischen Sozialminister Heiner Geißler ins Leben gerufenen Sozialstationen, zu deren Trägern die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden sowie die örtlichen Krankenpflegevereine gehören. Am 1. Juli 1978 nahm die „Ökumenische Sozialstation Limburgerhof“ für die Gemeinden Altrip, Neuhofen, Waldsee, Otterstadt, Limburgerhof und Mutterstadt ihren Betrieb mit fünf „freien“ Schwestern, drei Ordensschwestern und nur noch einer Diakonissin den Betrieb auf.

Philippine Hartmann, die letzte Krankenschwester des Evangelische Krankenpflegevereins Altrip, Anfangs der 1970er Jahre.Philippine Hartmann, die letzte Krankenschwester des Evangelische Krankenpflegevereins Altrip, Anfangs der 1970er Jahre.

Die langjährige Altriper Vereinsschwester Philippine Hartmann wurde von der Sozialstation, zur Freude der Altriper, übernommen. Der Verein, der bei seiner Gründung 103 Mitglieder und 1995 mit 746 seinen Höchststand erreichte, erhebt derzeit einen Jahresbeitrag von 24 Euro und wird von Pfarrer Bernhard Pfeifer geführt. Rechtzeitig zum Jubiläum hat Walter Sattel eine umfangreiche Vereinschronik verfasst, die bereits allen Mitgliedern zugestellt wurde.

(W. Schneider | 2010)
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