Vater und Sohn - die beiden ersten Allgemeinmediziner in Altrip:
Dr. Theodor Horn sen. und Dr. Theodor Horn jun.

Im Deutschen Reich waren seit 1856 die Barbiere und Bader zum Ausüben der "Kleinen Chirurgie" bzw. zur Beihilfe bei großen Operationen berechtigt. (Erst 1911 wurde das Aufgabengebiet des Friseurs auf Rasieren und Haarschneiden beschränkt.) Und so kam es, dass in Altrip um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert der Leichenbestatter Georg Klauer als Barbier und kleiner Wundarzt tätig war. War ein "richtiger Arzt" notwendig, so mussten die Altriper entweder zu Dr. C. Keller nach Rheingönheim oder zu Dr. Theodor Hirsch nach Waldsee. Medikamente wurden dagegen beim Apotheker Karl Müller in Neckarau geholt.

Nachdem Altrip aber im Jahre 1900 schon 1649 Einwohner zählte und sich in den aufstrebenden Ziegeleibetrieben des Dorfes immer öfter Unfälle ereigneten, bemühte sich die Gemeinde um einen eigenen Arzt. In der Novembersitzung des Jahres 1902 wurde der Bewerbung des praktischen Arztes Dr. Theodor Horn aus Frankfurt entsprochen. Auch der Medizinalverband Altrip mit seinem Vorsitzenden Artur Milz stimmte der Bewerbung zu. Bei der Gemeinde bestand zu jener Zeit auch eine "Gemeindekrankenkasse Altrip", die 1914 allerdings aufgelöst wurde. Daneben gab es noch die Armenkasse.

1903 eröffnete der junge Arzt in Altrip seine Praxis in der Mietwohnung Knauber in der Moltkestraße 1.

Zur Person:

  • Karl Ferdinand Theodor Horn war am 26. April 1875 zu Königstein im Taunus gebürtig. Sein Vater war der Gerichtsschreiber Friedrich Horn; die Mutter Emilie war eine geborene Müller. Am 25. April 1904 heiratete Th. Horn in München Lina Panitz, die am 11.11.1877 zu Laaber, Kreis Parsberg, geboren wurde. Der Ehemann starb am 25. November 1968, die Ehefrau am 15. April 1964. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor.
  • Dr. Theodor Horn jun., geb. am 13. Februar 1905 in Altrip; gestorben am 31. Januar 1987 in Bad Dürkheim und
  • Henny Horn, geb. am 23. Dezember 1908 in Altrip, gestorben am 17. April 1991 in Bottrop.
  • Dr. Theodor Horn jun. heiratete am 16. Dezember 1939 in Heidelberg die Architektentochter Elli Ender. Die Ehe blieb kinderlos. Elli Horn verstarb am 1. Oktober 2000 im Altenheim in Bad Dürkheim. Henny Horn war seit 1931 mit dem Oberstudiendirektor Dr. phil. Hans Klingelhöfer (geb. B. Februar 1900, gestorben 5. Februar 1999) verheiratet. Aus der Ehe gingen die Kinder Hans-Jürgen und Doris hervor.

Im Oktober 1903 wurde die Gemeinde gefragt, ob sie gegen eine beabsichtigte Konzession einer Apotheke in Rheingönheim des Pharmazeuten Dr. Herzog aus Fußgönheim "Erinnerungen" erhebe. Der Altriper Gemeinderat erhob dagegen keine Einwände, da "Altrip aufgrund seiner Lage an der seitherigen Praxis, die Apotheke in Neckarau ausschließlich zu benutzen, festhält".

Der Barbier und Totengräber Georg Klauer machte immer wieder Stimmung gegen den jungen Arzt. "Junge Ärzt mache die Friedhöf bucklisch", soll er wiederholt geäußert haben.

In seinen Lebenserinnerungen hat Dr. Horn all dies verdrängt. Als besonders bitter schilderte er einen Vorgang aus dem Februar 1909, als zwei Jungen im Alter von elf Jahren beim Schlittschuhlaufen auf dem Altrhein einbrachen und ertranken. All' seine Wiederbelebungsversuche waren damals vergeblich. (Die Ertrunkenen waren Sohn Eugen von Peter Schneider und Sohn Karl von Philipp Schweikert.)

Am 9. Juli 1911 wurde unter Federführung von Sanitäter Philipp Johann Hauk von 13 Männern ein "Rot-Kreuz-Verein" gegründet. Dr. Horn schloss sich diesem Verein jedoch aus persönlichen Gründen nicht an. Hingegen arbeitete seine Frau Lina in der Vorstandschaft der Mitte August 1914 für die Dauer des Krieges speziell gegründeten Abteilung von "Frauen und Jungfrauen" mit, die Nähabende organisierte, in denen Wolle und Stoffe für die "tapferen Altriper Krieger" verarbeitet wurden. (Am 31. Januar 1915 wurde übrigens Dr. Robert Baumann (1889 - 1949), der Sohn des Bürgermeisters und Dampfziegeleibesitzers Ignatz Baumann zum Feldunterarzt befördert.)

Während des Ersten Weltkrieges war Dr. Horn zeitweise der einzige Arzt für Altrip, Neckarau und Rheinau. Nach dem Krieg wurden, trotz Zunahme des Automobilverkehrs und trotz entsprechender Krankentransportautos in Mannheim und Ludwigshafen, die Verwundeten und Kranken aus Altrip zumeist per Pferdefuhrwerk in die Krankenhäuser gebracht.

Am 9. April 1927 bildete sich unter Leitung von Dr. Horn eine 16 Mann starke Sanitätsabteilung innerhalb der freiwilligen Feuerwehr, die sich allerdings nach der Gründung der "Freiwilligen Sanitätskolonne vom Roten Kreuz" wieder auflöste. Diese Sanitätskolonne wurde vom Bezirksamt Ludwigshafen (heutige Kreisverwaltung) angeregt und in der "Krone" ins Leben gerufen.

Dr. Horn übernahm in einem provisorischen Ausschuss zur Führung der Geschäfte den Vorsitz. Ihm gelang es, bisherige Kontrahenten an einen Tisch zu bringen.

Kolonnenführer wurde Dr. Robert Baumann, Stellvertreter Johann Philipp Hauk (Sanitäter-Philp), und die Funktion eines Kolonnenarztes übernahm er selbst. Für die wichtigen Kassengeschäfte gewann er zunächst den Dentisten Max Baumgartner, der jedoch schon bald von Altrip fortzog, und anschließend den Friseur Albert Wein. Der 22-jährige Friseur kam 1906 aus dem Schwäbischen nach Altrip und war noch im Wundverarzten ausgebildet. Albert Wein leitete auch eine der fünf Unfallmeldestellen im Ort. (Die erste Meldestelle wurde übrigens 1899 beim Altriper Telegraphenbureau eingerichtet.)

Bei der großen Alarmübung am Ostermontag (!), dem 1. April 1928, war der ganze Stolz der Kolonne ein eigener "Sauerstoff-Rettungskoffer mit Kohlensäurezusatz nach den neuesten wissenschaftlichen Erfahrungen".

Stolz war der Dorfarzt auch auf ein schon 1930 bestehendes Jugend-Rot-Kreuz. Am Altriper Rheinstrandbad wurde Anfang der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine "Sanitätshütte" mit Toilette eingerichtet. Die Bemühungen, anlässlich einer Sammelaktion für die Bergwacht und die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) schon 1933 eine eigenständige Wasserrettung in Altrip aufzubauen, scheiterten jedoch.

Im Zuge der Militarisierung im Dritten Reich gab es Auseinandersetzungen zwischen Dr. Horn und dem "Zugführer" des Sanitätszuges Altrip im Deutschen Roten Kreuz. Zugführer Dr. Baumann meinte nämlich 1936: "Das Hauptbetätigungsfeld des Deutschen Roten Kreuzes ist die Vorbereitung auf den Kriegsfall und die Ergänzung des amtlichen Hilfsdienstes bei Katastrophen- und Seuchengefahr. Hinzu kommen die neuen Aufgaben im Luftschutz." (Ein örtlicher Luftschutz wurde bereits 1934 (!) aufgebaut.) Dr. Robert Baumann schwebte die Gründung einer Ortsgruppe Altrip im Männerzweigverein für den Gesamtbezirk Ludwigshafen unter Vorsitz des Bürgermeisters und eines Stellvertreters aus der Parteiorganisation der NSDAP vor. Doch Bürgermeister Karl Friedrich Baumann winkte ab. Im Zuge der Zwistigkeiten wurde 1937 der Friseurmeister Albert Wein Kolonnenführer.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde in der Ludwigsschule eine Lazaretthilfsstelle im Luftschutzkeller eingerichtet. Beim Luftangriff am 30. Dezember 1944, damals in der Parteisprache als "Terrorangriff" bezeichnet, kamen sofort 24 Menschen ums Leben, für die Dr. Horn den Totenschein ausstellen musste. 39 weitere Altriper wurden verletzt, von denen später noch vier ihren schweren Verletzungen erlagen. Viele der Verletzten musste der Dorfarzt in das Marienkrankenhaus und in das Klinikum der Stadt Ludwigshafen einweisen.

Doch Dr. Horn ließ den Mut nicht sinken. Nach Kriegsende, im Juli 11945, warb er zusammen mit dem Kolonnenführer Albert Wein für das Deutsche Rote Kreuz für Lebensmittelspenden für das Marienkrankenhaus. Dann kam der Paukenschlag: Ausgerechnet am 24. Dezember 1945 musste Bürgermeister Fridolin Braun an den Anschlagbrettern verkünden, dass die französische Militärregierung mitgeteilt hat, dass die vorläufige Auflösung des Roten Kreuzes im Gebiet des Oberregierungspräsidiums Hessen-Pfalz beschlossen sei. Ab 1. Januar 1946 durften die Abzeichen des Roten Kreuzes' weder von Personen getragen werden noch an Häusern oder Fahrzeugen angebracht sein.

Die Ära Dr. Theodor Horn jun. Im Jahre 1947 übernahm der Sohn des ersten Dorfarztes die Praxis seines Vaters. Dr. Horn jun., der in Altrip die Volksschule und in Mannheim das Realgymnasium besuchte, studierte an den Universitäten Marburg, Frankfurt, Hamburg und Heidelberg Medizin. Interessanterweise haben Vater und Sohn nicht nur beide in Marburg studiert, sondern sie waren auch in der gleichen schlagenden Verbindung, der Turnerschaft Schaumburgia im CC zu Marburg, wo auch Dr. Hans Klingelhöfer, der spätere Ehemann von Henny Horn, Theos Schwester, aktiv war.

Nach dem medizinischen Staatsexamen 1936 in Heidelberg erfolgte seine klinische Ausbildung in den Krankenanstalten Ludwigshafen sowie in Kliniken in Heidelberg und Villingen. Während des Zweiten Weltkrieges war er in verschiedenen Lazaretten in der Heimat und im Osten im Einsatz, anschließend war er Truppenarzt an der Front und nach seiner Gefangennahme auch Arzt im Gefangenenlager.

Während sein Vater im Jahre 1952 die Leitung des DRK in Altrip übernahm und man gemeinsam auch mit einem Waldparkfest der 25. Wiederkehr der Gründung der Sanitätskolonne gedachte, widmete sich Dr. Horn jun. tatkräftig der Modernisierung der Praxis. 1954 erfolgte der Umzug in ein eigenes Gebäude, für das sein Schwiegervater, der berühmte Architekt Philipp Jacob Ender (1881 - 1958) die Pläne entwarf. (Ender war Architekt der Christuskirche in Mannheim.)

Doch der "Theo", wie er allgemein im Ort genannt wurde, wirkte auch in vielen Altriper Vereinen. So war er von 1950 bis 1953 1. Vorsitzender des "Turn- und Sportvereins Altrip" und unterstützte auch tatkräftig den Motorsportverein. Schon 1950 wurde er Mitglied im erweiterten Vorstand der ärztlichen Kreisvereinigung Ludwigshafen und arbeitete auch in verschiedenen Ausschüssen mit. "Selbstverständlich" war er über zwei Jahrzehnte im Vorstand des DRK Ludwigshafen-Land und "selbstverständlich" übernahm er, wie sein Vater zuvor, auch den Vorsitz im örtlichen DRK. 1967 erhielt er die Würde eines Sanitätsrats verliehen, eine Auszeichnung, die sein Vater noch erleben durfte. Ebenfalls 1967 wurde er auch für seine besonderen Verdienste um den Motorsport im ADAC mit der Ewald-Kroth-Medaille geehrt. Er war Kreisbereitschaftsarzt, Delegierter zur Landesärztekammer und der Ärztekammer der Pfalz, er wirkte im Rechnungsprüfungsausschuss der DRK-Kreisvereinigung. Kurzum: Der "Theo" war ein vielgefragter und vielbeschäftigter Mensch.

Am 25. November 1968 verstarb sein Vater mit 93 1/2 Jahren - jener Dr. Theodor Horn, der jahrzehntelang mit der Altriper Storchentante, der Hebamme Susanne Schneider geb. Brucker, gut zusammengearbeitet hatte und nun zwei Kinder und zwei Enkel zurückließ. Dr. Horn jun. hatte übrigens die Gewohnheit, nach der morgendlichen Sprechstunde mit seinem Borgward-Isabella-Coupe verschiedene Gastwirtschaften abzufahren, um zu sehen, wer von seinen Krankgeschriebenen sich dort aufhielt. Klar, dass er sich bei diesen Gelegenheiten an der Theke auch selbst "einen genehmigte". 1976 verkaufte er seine Praxis und zog 1977 in seinen Altersruhesitz in die Limburgstraße in Bad Dürkheim, wo er im Jahre 1987 verstarb. Nun folgte ihm auch seine Witwe Elli am 1. Oktober 2000 mit 91 Jahren. Damit sind die Namensträger der "Arztfamilie Horn" ausgestorben.

(Wolfgang Schneider | 2000 | Wesentliche Informationen stammen von Dr.-Ing. Hans-Jürgen Klingelhöfer (Bochum), einem Neffen von Dr. Theo Horn.)
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