Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Altrip eine „Schrankdrogerie“, einen Medizinalverband und einen Bader, der sich neben seiner Tätigkeit als Frisör, Leichenbestatter und Nachtwächter auch im Zähne ziehen betätigte. Um die finanzielle Grundsicherung der Kranken kümmerte sich die „Gemeinde-Krankenkasse Altrip“ mit dem ehrenamtlichen Bürgermeister im Vorsitz. Und wenn es besonders eng zuging, auch der „Ortsarmenverband Altrip“.

1903 ließ sich sogar der erste praktische Arzt nieder – allerdings aufgrund falscher Versprechungen der Gemeinde. Doch zwei Lücken gab es noch: Eine seit 1908 bestehende Kinderschule war nur notdürftig in einem Saal der Ludwigschule untergebracht, außerdem fehlte eine Krankenschwester in dem abgelegenen Dorf. Beider Angelegenheiten nahm sich daher die protestantische Kirchengemeinde an.

Nachdem schon 1910 ein Trägerverein gegründet wurde, erfolgte 1912 beim königlichen Amtsgericht Ludwigshafen die Eintragung des „Evangelischen Vereins für Kranken- und Altenpflege Altrip“. Sofort wurde der Bau einer Kleinkinderschule und einer „Station“ für eine Diakonissen-Krankenschwester beschlossen. Bereits am 21. Juni 1914 konnten diese Einrichtungen, Dank der Spendenbereitschaft vieler Altriper und auswärtiger Unternehmen, eingeweiht werden. Lena Beutler wurde die erste Krankenschwester des Vereins, die auch als „Schulschwester“ aushelfen musste. Die beiden Diakonissen waren so allumfassend ausgebildet, dass eine gegenseitige Vertretung unproblematisch war. Trotz des Ersten Weltkriegs verdoppelte sich die Mitgliederzahl bis Ende 1918 auf 210. Der Vereinsbeitrag von 50 Pfennig im Monat wurde in Teilbeiträgen alle 14 Tage einkassiert.

Im Oktober 1923 mussten die Mitglieder wegen der hohen Inflation 100.000 Mark berappen und die Gemeinde genehmigte statt Barzuschüssen lediglich 20 Zentner Holz als Brennmaterial. 1929 war der Verein mit 405 Mitgliedern die mit Abstand größte Vereinigung im Ort. Üblicherweise wurde jedes neu vermählte Paar Mitglied des Vereins und die Braut obendrein auch noch Mitglied im „Evangelischen Frauenbund“. Doch wegen der Wirtschaftskrise gab es ab 1930 einen „Aderlass“, 1933 erreichte der Verein mit 345 Beitragszahlern einen Tiefstand. Pfarrer Karl Kreiselmaier gelang es eine 1935 geplante Umwandlung in eine „Nationalsozialistische Schwesternstation“ zu verhindern. Im Krieg litt die Station durch die Druckwellen der Bombenangriffe und 1946 musste daher Dach, Fenster und Kamin erneuert werden.

Philippine Hartmann, die letzte Krankenschwester des Evangelischen Krankenpflegevereins Altrip, Anfangs der 1970er Jahre.Philippine Hartmann, die letzte Krankenschwester des Evangelischen Krankenpflegevereins Altrip, Anfangs der 1970er Jahre.1952 beschloss der mittlerweile 700 Mitglieder umfassende Verein, sein Gebäude in der Luisenstraße umzubauen. 1954 war es endlich so weit: Die Plumpsklosetts der Kinderschule verschwanden, Einzelöfen wurden durch eine Zentralheizung ersetzt und für die Jugend wurden neue Räume geschaffen. Und das bei nur 500 Mark Eigenkapital. Ausgerechnet in diese Zeit fiel ein dramatischer Mitgliederschwund. Binnen drei Jahren kehrten 150 Mitglieder dem Verein den Rücken und 1960, als die Krankenschwester für längere Zeit ausfiel, traten prompt weitere 60 Mitglieder aus. Im August 1967 heirateten alle drei Mitarbeiterinnen im Kindergartenbereich und zogen aus der Station aus, die somit leer stand.

Eine Diakonissenschwester bekam der Verein nicht mehr, so wurde ab 1965 die Altriper Krankenschwester Philippine Hartmann eingestellt. Am 1. Juni 1969 übernahm die protestantische Kirchengemeinde den Kindergarten, sodass sich der Verein in „Evangelischer Verein für Krankenpflege“ umtaufen musste. Trotz Beitragserhöhungen, Bettelaktionen und Zuschüssen reichte es fortan nur knapp, die Krankenschwester tariflich zu entlohnen. 1974 stand die Übernahme der Krankenpflege durch die Gemeinde zur Debatte. Gerettet war die Versorgung der Bevölkerung mit der Aufnahme des Betriebs der Ökumenischen Sozialstation in Limburgerhof, dem sich der Jubelverein anschloss. Seither wirkt der Verein weiter für die dort geleistete „Hilfe aus einer Hand“.

(W. Schneider | 2002)
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