Anrüchiges aus Altrip

Vor der Einführung der Altriper Kanalisation

Eine Wilhelm-Busch-Geschichte ist fast nicht ohne einen Nachttopf denkbar. Auch in Altrip gab es noch vor wenigen Jahrzehnten in nahezu jedem Haushalt einen Nachttopf, entweder aus Blech, Emaille oder gar Porzellan, mit und ohne Blümchen. Der Abort (auch Abdridd, Abee) war zumeist „überm Hof“, allein schon der Gerüche wegen. Ein Gang bei plötzlichem nächtlichem Bauchgrimmen oder gar bei Regen, Kälte und Schnee sowie bei Krankheit war nicht gerade jedermanns Sache. Deshalb der Nachttopf! Allgemein auch als „Nachthaffe“ oder „Boddschamber“ genannt. Hauptsächlich im 19. Jahrhundert, als es noch sehr viele Ställe im Ort gab, da fehlten auch die „dazugehörigen Misthaufen“ nicht. Die Notdurft wurde damals zumeist im Stall verrichtet und mit dem Ausmisten entleert. Die Buben und Männer verrichteten ihr kleines Geschäft ohnehin am Misthaufen. Schlimm waren gar die weiter zurückliegenden Zeiten für die Altriper, wenn der Ort durch den Rhein völlig überschwemmt wurde oder, was auch vorkam, wochenlang unter einer Eisdecke lag. Bei Tauwetter konnte das Wasser oftmals nicht in die vollgesogene Erde versickern und der Jauchegestank war allgegenwärtig. Im Laufe der Zeit entstanden über den Jauche-(Puhl)Gruben kleine Holzhütten. Dies war auch die Zeit der berühmten Darmol-Leuchter. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestanden die Kerzen vielfach nur aus Talg, denn das Bienenwachs war zu teuer. Die Talgkerzen brannten sehr schnell ab und mussten daher oft „geschnäuzt“ werden, denn nur ein kurzer Docht gab helles Licht. Später waren die Kerzen dann aus Stearin und Paraffin. 
 

Anrüchiges aus AltripKleine Häuschen prägten lange das Ortsbild

Die berühmten Häuschen mit dem Guckloch, vielfach Quadrate, Rauten oder Herzchen, gehörten bis lange nach dem Zweiten Weltkrieg zum dörflichen Erscheinungsbild. Es gab Abortbretter, die neben dem Normal-Lochmaß auch Kinder-Lochmaße hatten. (Das große Maß galt auch für ein reichliches Wirtshausessen: „E Koddlett wie en Abdidddeckel“, zum Beispiel für ein großes „Kottlett“. Um die Gerüche wenigstens teilweise einzudämmen, hatte man entsprechende Klodeckel. An einem Nagel hing zum Teil entsprechend zugeschnittenes Zeitungspapier. Bei schlechten Druckerzeugnissen konnte es da schon mal Probleme wegen der Druckerschwärze geben. Oft waren die kleinen Holzbauten auch auf schwankendem Untergrund errichtet und leider ist in den Annalen der Dorfchronik auch vermerkt, dass einige Zeitgenossen infolge durchgebrochener Planken in einer Jauchegrube ertrunken sind. 
 
Überlaufsichere Hausklärgruben, insbesondere bei Neubauten, galten als Fortschritt

Die Gasthäuser „Schwanen“ und „Pfälzer Hof“, die zugleich auch Lichtspielhäuser (Kinos) hatten, also immer wieder mit einem großen Publikum rechneten, hatten in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts Toiletten, wenn auch gemauert, überm Hof, wobei das Pissoir nur aus einer etwa 1,50 Meter hoch geteerten Wand und am Boden aus einer „Pissrinne“ bestand. In den 1950er und 1960er Jahren kamen, vornehmlich bei Neubauten, überlaufsichere Hausklärgruben auf. Abgefahren musste die „Brüh“ aber dennoch, wofür sich insbesondere einige Landwirte mit hölzernen Puhl-Fässern, -Schöpper, -Pumpen und -Zappen ausrüsteten. Auch zwei auswärtige gewerbliche Transportunternehmen versuchten in den 1960er Jahren mit entsprechenden Tankfahrzeugen, in Altrip ins Geschäft zu kommen, wobei die „Puhlautos“ über die Gemeindeverwaltung bestellt werden konnten. Große Erwartungen hatten die Altriper daher an die 1960 begonnenen Kanalisationsarbeiten. Obwohl mit regelrechter Begeisterung eine mechanische Kläranlage eingeweiht wurde und Anschluss- und Benutzungszwang bestand, dauerte es noch geraume Zeit, bis alle Puhllöcher ausgedient hatten.

(Wolfgang Schneider, 2025)
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