Das Dorf Altrip liegt zwar hart am Rhein, doch die Bewohner verdienten selbst in der Blütezeit der Rheinflößerei und der Treidelschifffahrt mit anderen Tätigkeiten ihren Lebensunterhalt. Erst im Jahr 1908 begann in Altrip das Zeitalter der sogenannten „Großschiffer”.
Lange Zeit galt Altrip als das „arme Fischerdorf”, denn nahezu alle Bewohner, bis auf den Dorfgeistlichen und den Herrn Lehrer, gingen dem Fischfang nach. Doch nach dem Krieg von 1870/71 entwickelte sich der Ort in wenigen Jahrzehnten zu einem Arbeiterdorf.
In den aufstrebenden Industriebetrieben in Neckarau und Rheinau fanden die Altriper reichlich Arbeit. Den Weg dorthin konnten sie über die Fähre und zu Fuß auch gut zurücklegen. Im Ort selbst öffneten vier Dampfziegeleien, die Backsteine für den Hausbau herstellten.
Zum Transport der Steine setzte in den 1890er Jahren die Ziegelei Baumann eigene Schiffe ein, die größtenteils unter Segel fuhren und ein Ladegewicht zwischen 550 und 1900 Zentner hatten. Die Bezahlung als Backsteinschiffer war relativ lukrativ und die Fahrten gingen zumeist mit vollem Gewicht bis zum Frankenthaler Kanal und stromauf dann leer zurück.
Mit der Zeit entstand in Altrip am Altrheinausfluss ein kleiner Hafen, der später sogar eine Schütteinrichtung (Kieskippe) zum Beladen von motorbetriebenen Rheinschiffen erhielt. Im Jahr 1908 entdeckten immer mehr Rheinschiffer Altrip als Schiffergemeinde - der niedrigen Steuersätze wegen und es waren bei rund 1700 Einwohner knapp 30 „Großschiffer” gemeldet. Darunter auch einige, die einen Raddampfer mit mehreren Schleppkähnen besaßen. Der Platz Altrip sprach sich unter den Schiffern schnell herum. Schon ein Jahr später waren 44 Eigner gewerbepolizeilich gemeldet.
In den goldenen Zwanzigern, nach 1924, kamen immer mehr Schiffer. 1930, bei noch nicht einmal 3000 Einwohnern, zählte die Rheingemeinde 205 Schiffer.
Eine Geheimadresse entlang von Rhein und Neckar war damals das Anwesen Ludwigstraße 18, der „Pfälzer Hof”. Hier waren stets Dutzende und Aberdutzende von Schiffer gemeldet. Der Wirt, Jakob Schweikert V. , lagerte die Post der Schiffer und erledigte polizeiliche Anmeldungen, bereitete Steuererklärungen vor und bot auch Übernachtungsmöglichkeiten. Zumeist waren seine Schiffer aber irgendwo auf dem Strom, bis nach Rotterdam, unterwegs.
Die Schiffe trugen einen im Schiffsregister eingetragenen Namen und am Heck als Standort Altrip. Neben Schiffsnamen wie etwa Eva , Lore oder Gerda gab es auch ausgefallene Namen. So hatte sich etwa Valentin Siebert vor gut 70 Jahren den Namen „Vitalitium” ausgesucht, der für Lebensunterhalt aus dem Lateinischen steht.
Und noch während des Krieges fuhr zum Kriegsgetümmel passend die „Mars von Altrip”. Und da der Matrose an Bord wohl nicht genug verdiente, fischte er schwarz und wurde prompt erwischt. 30 Reichsmark, ersatzweise sechs Tage Gefängnis und Verlust des Angelgeräts waren die Folge. Auch die „Unrast”, die „Walküre”, eine „Schwesterliebe” und gleich zwei „Muttersegen” trugen den Namen Altrip auf die Binnenwasserstraßen. Der Altriper Ansichtskartensammler Franz Kraus fand über das Internet sogar eine Karte des Schiffes „Fahrwohl” aus Altrip.
Recherchen ergaben, dass dieses Schiff Anton Krapp gehörte, dessen Vater bereits 1908 in Altrip gemeldet war. Doch nur ein Schiff, das vor über 100 Jahren am Mannheimer Kai gegenüber der BASF lag, trug den Namen „Altrip”. Mehr noch - obwohl sich Altrip erst 1908 amtlich mit einem „P” schreiben darf, hatte dieses Schiff schon davor die modernisierte Schreibweise.
Seit Jahrzehnten fährt kein Schiff mehr mit dem Heimathafen Altrip auf dem Rhein. Bekannt sind nur noch ein paar Namen aus der Altriper Schifferzeit. So etwa Franz Gustav Nies mit seiner „Rheinperle”, von dem es im Ort noch einen „Abkömmling” gibt oder Inge Merz, deren Vater das Schiff „Muttersegen II” gar auf ihren Vornamen umtaufte oder der Backsteinschiffer Jakob Hess, der mit seiner obligatorischen Pfeife im Mundwinkel den Rheinfluten entstieg, nachdem sein Kahn weder Überladung gesunken war.
Im Hafen der Ehe sind in Altrip auch die Schiffer Fink, Gehrke, Haase, Schatzmann und Siehl gelandet. Und für die alte Gierfähre (1909 bis 1958) war die Gemeinde Altrip stets an Schiffern als Pächtern interessiert. So war der letzte Fährpächter Willi Hasselmann und der letzte Kapitän der Gierfähre, Anton Fatho, einst Rheinschiffer.