Es kam schon fast einem Aprilscherz gleich, als die Gemeinde Altrip am 1. April 1954 den seither verpachteten Fährbetrieb in eigene Regie übernahm, denn drei Wochen später kam vom Wasser- und Schifffahrtsamt Speyer die Hiobsbotschaft, dass die Fähre in Bälde wegen mangelnder Verkehrssicherheit und als Schifffahrtshindernis stillgelegt werden müsse.
Jahrzehnte lang hatte die Gemeinde die Rheinfähre höchst lukrativ verpachtet und die jährlichen Auktionen waren stets auch für die Bevölkerung ein Spektakel. Doch die Gemeinde wollte immer mehr, aber da machte der letzte Fährpächter, Willi Hasselmann, der 1952 immerhin noch 23.500 Mark geboten hatte, nicht mehr mit. „Das rechnet sich nicht mehr. Aus und vorbei”, waren seine Worte. Dafür frohlockte die KPD im Altriper Gemeinderat, denn sie hatte schon 1949 für eine „Gemeindefähre” plädiert.
Dabei hätte ein Blick ins Geschichtsbuch nicht geschadet, denn zu Beginn des Ersten Weltkriegs tat der Gemeinde die Eigenregie ebenso wenig gut wie 1923. Schon nach wenigen Monaten ging man damals wieder zur Verpachtung über. Am 1. Oktober 1923 fand sich gar ein Pächter, obwohl das Billet für Erwachsene 840.000 Mark kostete und an Weihnachten bereits 35 Milliarden. Über beide Weltkriege war die Fähre verpachtet und sowohl Gemeinde als auch Pächter kamen auf ihre Kosten.
Schon 1366 wurde die pachtweise Übertragung der Fähre urkundlich erwähnt und 1770 übertrug Kurfürst Karl Theodor den Altripern die Überfahrtsrechte auf „undenkliche Zeiten”. In der vorbayerischen Zeit übernahm die Mannheimer Hofkammer die Verpachtung und später die Gemeinde Altrip. Von alters her bestand bei Altrip ein sogenanntes Nachenfahr, eine Überfahrt mit einer viereckigen hölzernen Nähe oder einem Prahmkahn. Der alte Ausdruck: Wir gehen über die „Neh'” geht auf diese Art der Rheinquerung zurück.
Seit 1889 experimentierte die Gemeinde mit einer größeren Fähre, einmal mit einer „Zwergseilfähre”, mal im Längsseil, dann wieder im Querseil und immer wieder mit Gierseilfähren. Erst 1896 kam mit einer Fähre im Längsseilbetrieb der Durchbruch, ab 1906 konnten neben Fußgängern, Karren und Viehherden auch Fuhrwerke transportiert werden.
Die 1954 in Eigenregie übernommene Fähre wurde 1909 in Speyer gebaut, war 20 Meter lang und 8,45 Meter breit, wog 40 Tonnen und konnte 400 Personen aufnehmen. Treibstoff brauchte sie nicht, denn neun Buchtnachen hingen an einem 270 Meter langen Seil, das vom sogenannten Königsnachen aus mit einer starken Kette an einem unter der Flusssohle versenkten Betonklotz verankert war. Der Fährmann drehte bei diesem Modell die Buchtnachen mithilfe einer Kurbel gegen die Strömung und schon setzte sich das Schiff in Bewegung. Die Höchstgeschwindigkeit betrug 2,50 Meter in der Sekunde.
Problematisch war allerdings, dass durch das Seil beim Anlegen auf badischer Seite der Schifffahrtsgraben „verdrahtet”, also abgesperrt war. Und 1954 fuhren pro Tag über 100 Selbstfahrer und Schleppzüge an der Rheinüberfahrtsstelle vorbei. Da hieß es oft, sobald sich auch nur ein Schiff im Altriper Rheinbogen zeigte, „schnell ab nach Altrip”. Wartezeiten von bis zu 80 Minuten waren damals keine Seltenheit. Die Fährleute wurden oftmals von den Berufspendlern gar unter Androhung von Schlägen zur riskanten Überfahrt genötigt. Um den Fährbetrieb zu retten, musste die Gemeinde auf Rheinauer Seite einen Warschauer einsetzen, der tagsüber mittels Flagge und bei Dunkelheit über Signallampen „Freie Fahrt” gab.
Am 25. Januar 1958 wurde das fast 50 Jahre alte Gierfährschiff, das nur noch Teer und Rost zusammenhielt, durch eine frei fahrende Fähre abgelöst. Diese Motorfähre war damals das modernste Fährschiff auf dem gesamten Rheinstrom, hatte Radar und konnte nicht nur vor- und rückwärts, sondern auch seitlich fahren. Sogar einen beheizbaren Aufenthaltsraum für 35 Personen gab es an Bord.
Da die so sehnlichst gewünschte Brücke in weite Ferne rückte, wurde am 9. Januar 1992 eine noch größere und rund drei Millionen Mark teure Motorfähre in Dienst gestellt. Das Altriper Feuerwehrschiff und zwei Fährboote der Bundeswehr grüßten mit Seemannsehren, Fontänen und einem Hubkonzert. Elsbeth Janda nahm die Sekttaufe vor und Alt-Landrat Kurt Becker-Marx betonte, wie schon 1958, dass die Geschichte der Fähre auch die Geschichte der unterbliebenen Rheinbrücke sei.