Magister Georg Litzel aus Speyer, seines Zeichens „Gymnasial-Conrector und Mitglied der Königlich Preußischen Gelehrten-Gesellschaft in Duisburg“, nahm die Vermählung eines Speyerer Gold- und Silberfabrikanten mit der Tochter eines Mannheimer Stadthauptmanns vor 250 Jahren zum Anlass für eine Widmungsschrift über Altrip. Litzel beschrieb darin, dass die Besatzung des römischen Kastells „Alta ripa“ dem Obersten Petronius, einem sehr geizigen und grausamen Mann, in Mainz unterstand. Nach den damaligen Geschichtskenntnissen vermutete Litzel, dass Altrip eine Gründung von Drusus, einem Stiefsohn von Kaiser Augustus war, der in der Tat rund 50 Kastelle entlang der Rheinfront anlegen ließ. Doch letztlich haderte er mit dieser Auffassung indem er schrieb: „Wer das Castell Altrip erbaute, finden wir keine Nachricht.“
Heute wissen wir, dass dies Kaiser Valentinianus I. im Jahre 369 war. Sein Traktat, das den langen Titel trägt „Historische Nachricht von einem römischen Castell welches bei Altrip mitten im Rhein im Jahr Christi 1750 gesehen worden“, beschreibt zum Teil auch außergewöhnliche Wetterverhältnisse im Jahr 1750. „Im Norden war es warm, und im Süden kalt. In Lappland musste man die gewohnten Winterreisen (per Schlitten) einstellen, weil man sogar zwischen dem 65. und 70. Breitengrad weder Schnee noch Eis hatte, und in Westgotland hatten einige Einwohner schon nach dem Neuen Jahr frischen Salat gegessen. In „Engeland“ hat man im Hornung (Februar) die Stuben nicht wärmen „dörffen“ (brauchen).“
Dagegen war in Italien in eben diesem Monat der Po zugefroren und in Frankreich die Seine mit Nebel bedeckt. Zu Speyer brachte am 30. März ein Bürger gar eine ausgereifte Kornähre vom Land in die Stadt. Und während im Januar und Februar 1750 andernorts Überschwemmungen gemeldet wurden, war der Rhein hier so „klein“ (niedrig) wie seit Menschengedenken nicht mehr. Laut Litzel konnte man ohne Gefahr an manchen Stellen durch den Rhein reiten. Zu Speyer waren die Brunnen fast ausgetrocknet und Magister Litzel brauchte 568 Schritte, um vom gewöhnlichen Ufer zum Wasser zu kommen. In dieser Situation erfuhr er gerüchteweise, dass „die Rudera (Gesteinstrümmer) eines alten römischen Kastells, mitten in dem Rhein bei Altrip sich zeigen“.
Seine Neugier war so groß, umso mehr als zuvor wohl noch kein Geschichtsschreiber so etwas bei Altrip gesehen, dass er sich auf den Weg nach Altrip aufmachte. Zusammen mit drei weiteren Neugierigen, darunter dem Speyerer Bürgermeister Johann Friedrich Kümmich, schaffte es die Gruppe, binnen zwei Stunden Altrip zu erreichen. Ihr brennendes Interesse musste ihre Schritte ziemlich beflügelt haben, denn normalerweise lag Speyer drei Wegstunden von Altrip entfernt. Mit einem Kahn ließen sich die Speyerer zu dem aus dem Wasser ragenden Gemäuer fahren. Nachdem der Rhein aber schon wieder merklich angeschwollen war, konnten sie nur noch die Umrisse eines Vierecks mit Mauern die „dritthalb Schuhe dick“ (etwa einen Meter) waren, erkunden. Außerdem stellen sie fest, dass die Mauern aus Steinen bestanden, wovon jeder einen Schuh (30 Zentimeter) lang und einen halben breit war.
Litzel war überhaupt ein höchst wissbegieriger Gymnasiallehrer, der viele Exkursionen in die nähere und weitere Umgebung seines geliebten Speyers unternahm. Er war zudem vielseitig interessiert. So schrieb er auch eine noch heute interessante Abhandlung über den Riesling. Dass er ausgerechnet seinem Gevatter in Mannheim die „Altriper Schrift“ widmete, lässt vermuten, dass dieser mit den Altriper Verhältnissen wohl besonders vertraut war. Vielleicht liebte er auch die Altriper Fische, die zu jener Zeit auf dem Mannheimer Markt feilgeboten wurden.
Die von Litzel gesehenen römischen Mauerreste wurden nach der Rheinkorrektur (1865-1874) erst 1891 von einem Speyerer Pionierkommando gesprengt, da sie bei Niedrigwasser ein großes Schifffahrtshindernis darstellten.