Züchter „ohne Furcht“ und Tadel

Wenn am Freitag die Altriper Taubenfreunde ihr 75. Vereinsjubiläum feiern, können sie auch auf einige Besonderheit verweisen: Alle Vorsitzenden seit der Wiedergründung - Walter Siemers, Karl Schneider, Eberhard Eisermann und Kurt Sonnick - werden beim Festessen mit von der Partie sein. „Eigentlich“, sagt der aktuelle Vorsitzende des Altriper Reisetaubenvereins, Kurt Sonnick, „wollte ich nur mal vorübergehend den Vorsitz übernehmen, bis Eberhard Eisermann seine Meisterprüfung gemacht hatte. Doch aus dem ,vorübergehend‘ sind mittlerweile 32 Jahre geworden.“

Angefangen hat die Vereinschronik im Spätherbst 1927, als einige Brieftaubenzüchter um Karl Weber, genannt „Fahrrad-Maier“, und Oswald Schneider den Reisetaubenverein „Ohne Furcht“ gründeten. Nach 1933 wurde der noch relativ schwache Verein zwangsweise mit dem Bruderverein in Mundenheim zusammengeschlossen und die Altriper mussten entferntere Einsatzstellen in Kauf nehmen. Nach dem Krieg verfügten die Franzosen zunächst ein generelles Halteverbot und erst 1950 konnten, mit obrigkeitlicher Genehmigung, wieder Tauben gehalten werden. Und so wurden auch in Altrip alte Beschläge neu belegt und das Gurren der Tauben gehörte wieder zum Ortsidyll. Die wenigen Altriper Züchter waren, ob der abgelegenen Lage ohnehin auf auswärtige Fluggemeinschaften und Einsatzstellen angewiesen, und schlossen sich zunächst benachbarten Vereinen an. 1958 aber entschlossen sich rund ein Dutzend Züchter, den alten Verein „Ohne Furcht“ wieder zu beleben.

Walter Siemers übernahm den Vorsitz und Emil Hoffmann die Kasse, die er bis zu seinem Tod nahezu 38 Jahre führte. „Ohne Furcht“, die etwas seltsam anmutende Bezeichnung, ist nach Ansicht des ehemaligen Vorsitzenden Karl Schneider durchaus berechtigt, denn die Züchter mussten stets fürchten, dass ihnen die Tauben unterwegs, etwa durch die Unbill der Witterung, verloren gingen. Zum finanziellen Verlust kam in einem solchen Falle vor allem auch der züchterische Rückschlag.

Oskar Kirschner, seit der Wiedergründung dabei, weiß zu berichten, dass der Verein über viele Jahre hinweg an der „Kerwe“ gefüllte Täubchen anbot und manch auswärtiger Gast nur deshalb nach Altrip kam. In den einzelnen Schlägen saßen durchschnittlich 50 bis 70 Tauben. Trotzdem gab es auch im dicht besiedelten Ortsgebiet keinerlei Nachbarschaftsprobleme, berichtet der Verein. Mittlerweile sind viele Taubenschläge verwaist und „auf Reise“ gehen gar nur noch zwei Vereinsmitglieder, während sich die zumeist älteren Taubenliebhaber mit ganz wenigen Exemplaren begnügen. Nach dem 75. Jubiläum steuert der Verein seine 50. Wiedergründungsfeier im Jahre 2008 an. Grund: Nach Ansicht des übergeordneten Verbandes zählt die Zeit vor 1958 nicht, weshalb die Wiedergründungsfeier daher die Neugründungsfeier sei. Doch die Altriper feierten bisher „ohne Furcht“ schon ihr 40., 60. und nun ihr 75. Jubiläum. Und selbstverständlich werden sie auch ihre „offizielle 50-Jahrfeier“ ausrichten.

(Wolfgang Schneider | 2002)
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