Vor 100 Jahren hatte Altrip rund 2300 Einwohner. Am 19. November, einem Sonntag, herrschte reges Leben. Viele „Überrheiner" (Badische) waren mit der Fähre nach Altrip gekommen, um Zeuge eines historischen Ereignisses zu werden, nämlich der Einweihung eines Denkmals zu Ehren von Regino, des Verfassers der ältesten deutschen Weltgeschichte, der um 840 in Altrip zur Welt kam.
Die sauber gefegten Ortsstraßen präsentierten sich in reichlichem Flaggenschmuck und noch nie sah man so viele Menschen in Frack und Zylinder. Ein Umzug mit Kapellen und Abordnungen vieler auswärtiger und örtlicher Vereine bewegte sich durch die Ortsstraßen und in der Nähe des Denkmalstandorts vor der protestantischen Kirche drängten sich Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Auf einer eigens errichteten Bühne standen die vierzehn honorablen Mitglieder des „Regino-Gedenktafel-Komitees" mit großen Rosetten am Revers.
Nach dem Musikvortrag „Die Himmel rühmen" und der Begrüßung durch den Komitee-Vorsitzenden Ignatz Baumann, gab der königliche Bezirksamtsassessor Dr. Pöverlein nach einer schwungvollen Rede das Zeichen zum Fallen der Hülle unter dem Geläute der Kirchenglocken und dem Krachen von Böllern. Nachdem Bürgermeister Michael Baumann das Denkmal in die Obhut der Gemeinde genommen hatte, hielt der Schwetzinger Privatier Hermann Provo eine eindrucksvolle Rede, in der er die Geschichte von 57 vor Christus bis zur Denkmalweihe beleuchtete. Provo, der Nestor der Altriper Heimatforscher, hatte bereits 1901 die Idee, etwa mit einer Gedenktafel, den großen Sohn der Rheingemeinde dem Vergessensein zu entreißen, eventuell anlässlich des 1.000 Todesjahres des Chronisten im Jahr 1915. rovo war durch Zufall auf das 1857 erschienene Werk von Ernst ümmler:„Die Chronik des Abtes Regino von Prüm" gestoßen, in dem Altrip als Geburtsort von Regino erwähnt ist. n Altrip gab es bis dahin keinerlei Erinnerung an Regino.
Am 27. Oktober 1910, also neun Jahre nach dem ersten Vorstoß, tagte erstmals ein Komitee zur Realisierung der Idee. Eine edenktafel oder ein Findling wurden angedacht und wieder verworfen. Der protestantische Pfarrer wollte gar ein Reginohaus, n dem ein Kindergarten und Schwesternzimmer eingerichtet werden sollten. Letztlich entschied man sich aber für das enkmal in der heutigen Form, das der Bildhauer Friedrich Kurz aus Mannheim schuf.
Das sechs Meter hohe Denkmal ist in romanischen Stil mit Pfalzburger Sandstein aus Lothringen ausgeführt und passt somit um romanischen Kirchturm. Der Kunstrichtung der Zeiten Reginos entsprechend zeichnet es sich durch festes Maß und uhige Erhabenheit aus. Den eigentlichen Denkstein bildet der mittlere Teil mit vier romanischen Fenster- oder Portalöffnungen achgebildeten Nischen zur Aufnahme der Inschriften (vorn): Zum Gedächtnis an Regino. Gekrönt ist der Inschriftstein on einem wuchtigen Aufbau, dessen Bedachung mächtige, an Mauerwerk angelehnte Säulen tragen. Die beiden Stufen nten und die gegliederten Untersätze der Aufbauten bringen ntsprechende Abwechslung in das Ganze. Der untere Durchmesser eträgt 3,20 Meter. Der kreisrunde, profilierte Unterbau ist aus Granit hergestellt.
Die Finanzierung des Projekts bereitete keinerlei Probleme. Sowohl der bayerische König als auch der Großherzog von aden, Kommerzienräte, etliche Firmen, Brauereien und Gaststätten der Umgebung zeigten sich ebenso spendenfreudig die die Komiteemitglieder.
Ja, es reichte gar noch für 2 Rotbuchenhochstämme beidseits des Denkmals und ein Schärflein für den Verschönerungsverein Altrip. Andere Probleme gab es dafür aber zuhauf. Als man sich endlich einstimmig auf einen Vorschlag des Bildhauers geeinigt hatte, stellten sich das Bezirksamt beziehungsweise die Regierung der Pfalz quer, weil der obere Teil nicht genehm war. Der Bildhauer musste nun gar drei weitere Entwürfe vorlegen. Die Denkmalweihe konnte auch erst im dritten Anlauf erfolgen, nachdem zwei Termine zuvor „geplatzt" waren.
Dem Bildhauer Kurz waren nicht einmal vier Monate für das in Mannheim vorgefertigte Denkmal geblieben. Schlimmer jedoch war, dass sich der Komiteevorsitzende Ignatz Baumann und der 2. Vorsitzende Hermann Provo die „Autorenschaft" in Sachen Denkmal streitig machten. Mehr noch: Die Katholiken des Dorfes beklagten sich, dass aus der Denkmalinschrift nicht erkennbar war, dass Regino ein Mönch und Benediktiner-Abt, und somit ein Katholik war. „Für die wenigen Katholiken in Altrip wäre das etwas, das ihnen in ihrem Diasporaleid, trotz aller Wehmut, manchmal auch Genugtuung antun könnte", schrieb noch 1930 düpiert der für Altrip zuständige Kaplan Ludwig Flörchinger. Mehr noch: Er behauptete gar, dass die Altriper mit ihrem Denkmal noch nicht den Nachweis erbracht hätten, dass Regino tatsächlich ihr „großer Landsmann" sei. Stimmen, die es auch1911 gab!
Jedenfalls war es für die Nachwelt ein Glücksfall, dass Regino nach nur sechs Jahre als Abt in Prüm wegen seiner Gegnerschaft zu „König Karl dem Einfältigen" durch lothringische Edle unter kräftigem Intrigenspiel seiner Mönchsbrüder 899 abdanken musste. Als Abt von Sankt Martin in Trier hatte Regino anschließend Zugang zur umfangreichen Trierer Bibliothek und schrieb 902 ein Werk über den Kirchengesang, 906 ein zweiteiliges Werk über die kirchliche Disziplin der Kleriker und Laien und vollendete 908 sein zweibändiges Chronikon, der berühmt gewordenen Weltgeschichte. Wenn wir heutzutage mit „Jahren nach Christi Geburt" rechnen, dann haben wir dies Regino zu verdanken, denn er hat für seine annalistische Geschichtsschreibung erstmals Inkarnationszahlen (nach der Fleischwerdung des Herrn) verwendet und daher schreiben wir heuer auch das Jahr 2011.