Schon in der Jungsteinzeit siedelten Menschen im heutigen Altrip
Unlängst wurde die Speyerer Archäologin, die Konservatorin Dr. Andrea Zeeb-Lanz (52) vom Deutschen Journalisten-Verband, Sektion Pfalz, für ihre Pressefreundlichkeit mit der "Goldenen Zeile" ausgezeichnet. Die Wissenschaftlerin von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz hat in den letzten Jahren insbesondere als wissenschaftliche Leiterin der Ausgrabungen in der bisher europaweit einmaligen Ritualstätte bei Herxheim für Aufsehen gesorgt. In der eine jungsteinzeitliche Siedlung umgebenden Grubenanlage wurden mindestens 500, wenn nicht gar 1000 Menschen in einem völlig außergewöhnlichen Ritual geopfert.
Nach ihrem Tode zerschlug man die Skelette sowie auch qualitätsvolle verzierte Keramik und wertvolle Steingeräte und funktionsfähige Mahlsteine in kleine Teile. Wer die Toten waren ist zur Zeit noch unklar, sie stammen aber mit Sicherheit nicht aus Herxheim oder der näheren Umgebung, wie Strontiumisotopenanalysen deutlich belegen.
Und nun kam am 1. März die ausgewiesene Jungsteinzeitexpertin auch nach Altrip, um einen neolithischen Fund zu besichtigen.
Der Altriper Hobbyhistoriker Wolfgang Schneider (71) hatte beim Altriper Jäger Franz Kraus in dessen Jagdzimmer, unter vielen anderen Funden, einen vermutlich jungsteinzeitlichen Mahlstein gesehen und deshalb ein allgemeines Interesse der Landesarchäologie reklamiert.
Franz Kraus, der schon seit Jahrzehnten Mammutzähne, römische Münzen und sonst allerlei Funde aus längst vergangenen Zeiten zusammengetragen hat, war sofort bereit den Mahlstein (sogenannter Unterlieger einer definitiv jungsteinzeitlichen Getreidemühle - Datierung zwischen etwa 5000 und 3000 Jahren vor Christus) der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen. Dies ist übrigens seit 1978 in Rheinland-Pfalz auch Pflicht.
Das Historische Museum der Pfalz kaufte zuvor im Einzelfall bei einem besonderen wissenschaftlichen Interesse oft auch Funde an.
Schon 1910/1911 wurden im Bereich der Altriper Binslach jungsteinzeitliche Mahlsteine oder Bruchteile davon geborgen und als Geschenk von den Gebr. Baumann dem Historischen Museum abgeliefert. Nach über 100 Jahren konnte nun ein weiteres Mosaiksteinchen einer jungsteinzeitlichen Besiedlung um Altrip kartiert werden. Auch bei Mutterstadt wurde schon eine größere Siedlungsdichte in jener Zeit wissenschaftlich nachgewiesen. Das Oberrheingebiet war dank der guten Böden und des recht milden Klimas ab dem 6. Jahrtausend v.Chr. relativ dicht besiedelt, wie dies u.a. auch die zahlreichen Funde bei Herxheim beweisen. Die jungsteinzeitliche Getreidemühle bestand aus jeweils zwei Steinelementen, einem Unterlieger und einem Läuferstein; mit letzterem wurden die Getreidekörner auf dem Unterlieger zu Mehl zerrieben. Derartige Mahlsteine stellten ein lebenswichtiges Utensil in jedem neolithischen Haushalt dar. Mahlsteine sind typische Gerätschaften der Jungsteinzeit, die uns zeigen, dass Menschen sesshaft wurden und ein bäuerliches Leben führten, also nicht mehr nur Tieren nachjagten und Pflanzen sammelten.
Mahlsteine hielten Jahre, oft Jahrzehnte lang und konnten unter Umständen das gesamte Leben einer Jungsteinzeit-Frau überdauern, die im Durchschnitt nur 32 Jahre alt wurde.
Der 1979 bei Baggerarbeiten in der Altriper Binslach ("Silbersee") gefundene Läuferstein, auch Unterlieger genannt, ist einen halben Meter lang, 24 Zentimeter breit und wiegt bei einer Stärke von 13 Zentimetern 25 Kilogramm. Mit dem üblicherweise dazugehörigen Reibe- oder Läuferstein wurden die damals kultivierten Getreidearten Emmer, Einkorn und eventuell auch schon Dinkel auf dem Unterlieger zu Mehl verarbeitet. In Altrip hat Franz Kraus einen ziemlich runden Stein - aus dem gleichen Material, nämlich Rosengranit, wie der Unterlieger - mit 22 Zentimeter Durchmesser und einem Gewicht von neun Kilogramm auf den Unterlieger gesetzt. Die Expertin aus Speyer ist jedoch der Ansicht, dass er definitiv nicht den zum Unterlieger gehörigen Reibe- oder Läuferstein darstellen kann. Läufersteine sind grundsätzlich länglich und vor allem nie so schwierig wie der von Franz Kraus gefundene runde Stein. Vermutlich sollte der runde Stein als Rohmaterial für ein Handwerksgerät, etwa ein Beil genutzt werden. Der Altriper Mahlstein ist in einem hervorragenden Zustand und beweist, dass um das heutige Altrip schon vor Tausenden von Jahren Menschen sesshaft wurden. Die Mahlsteine waren Voraussetzung für Brei, Brot und Grütze. Als Jungsteinzeit gilt in unseren Breiten übrigens die Zeit von 5500 bis 2000 vor Christus. Und in dieser Zeitspanne backten Menschen bei Altrip nachweislich Brot oder Fladen aus Getreidemehl.
Der 60jährige Jägersmann, der in den letzten Jahren immer wieder Tierfindelkinder aufzog und anschließend auswilderte, war 1979, als er den Fund barg, bei den Arbeitern des Kiesausbeuteunternehmens nicht gerne gesehen. Er wurde vielmehr regelrecht verjagt. Doch Kraus ließ sich nicht beirren und rettete die beiden Steine für die Nachwelt. Und künftig wird der "Unterlieger" bei der archäologischen Fachbehörde, der Außenstelle Speyer der Direktion Landesarchäologie, seine ständige Bleibe finden. In unmittelbarer Nähe der Fundstelle wurde übrigens aus der nachfolgenden Bronzezeit 1910 auch ein bronzenes sogenanntes Lappenbeil gefunden. Etliche weitere derartige Funde, sei es von Wetzlar, Mainz oder Bad Kreuznach wurden von der Wissenschaft mit "Variante Altrip" oder "Kleine Nebenvariante Altrip" präzisiert. Also: Altrip ist schon lange ein begehrter Siedlungsort.