In „Alle Vögel sind schon da“, einem der schönsten Kinderlieder, heißt es „Amsel, Drossel, Fink und Star und die ganze Vogelschar…“ Neben den namentlich aufgezählten Vogelarten gibt es tatsächlich eine beachtliche Vogelschar ganz in unserer Nähe, nämlich im Naturschutzgebiet (NSG) „Neuhofener Altrhein“.
Jede Menge Entenarten tummeln sich dort, darunter viele Tauchenten, die wie im Lied „Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen in die Höh’“ gründeln. Das Wappentier der „Altriper Wasserhinkle“, das Blässhühnchen, ist hier häufig zu sehen. Und auch der Vogel des Jahres 2008, der Kuckuck, findet im NSG reichlich Gelegenheit sich an „fremden Eigentum“ zu vergehen. Wasserläufer, Schnepfen, Brachvögel, Uferläufer, um nur einige Arten zu nennen , fühlen sich im NSG wohl. Etliche „Jäger der Luft“, wie etwa Mäusebussard, Habicht und Milan ziehen über dem Altrheingebiet ihre Kreise. Kundige Vogelbeobachter entdeckten auch wiederholt den Eisvogel, unseren „fliegenden Edelstein“. Ein Bericht von 1941 weist allein 180 verschiedene Vogelarten aus - und das nach erheblichen Eingriffen in die Natur.
Der bekannte Vogelkundler Franz Stalla (77) gab für das Jahr 1986 gar einen Anstieg der registrierten Stand- und Brutvögel, aber auch die der Durchzügler und Wintergäste auf 219 bekannt. Stalla war es auch, der zusammen mit Helmut Simon sich nachdrücklich für eine Ausweisung des Neuhofener Altrheins und seiner Uferzonen als Naturschutzgebiet einsetzte. Nicht minder interessant ist die Pflanzenwelt im Naturschutzgebiet. So beschrieb 1941 der Ludwigshafener Lehrer August Schäfer, der seine schulische Laufbahn vor nunmehr 100 Jahren übrigens in Altrip begann, nicht weniger als 442 Pflanzenarten. Von der auffallensten Pflanze, dem Schilfrohr, über die wenigen noch erhaltenen Orchideenarten bis zu den See- und Teichrosen, den Sumpfdotterblumen und Schwertlinien, bietet sich auch dem heutigen Naturfreund noch eine sehr bunte und artenreiche Pflanzenwelt. Vor 50 Jahren schwärmte Schäfer auch noch von dem „interessantesten und schönsten Kind der fremden Flora, dem „Waisenmädchenhaar“, ein Gras, das um Pfingsten seine schönen, weißen Grannenhaare im Wind spielen lässt.“
Der Neuhofener Altrhein, der sich heute nur noch als ein etwa 2,5 Kilometer langes und rund 200 Meter breites sichelförmiges Altwasser zeigt, entstand 1584 bei einem Hochwasser infolge eines Rheindurchbruchs. Lange Zeit hatte das Gewässer aber noch über die spätere „Große Jägerwiese“ einen Zufluss und über den „Schleim“ einen Auslauf zum neuen Rhein. Durch Verlandung und Deichabschlüsse wurde der Altrhein aber bald zum Binnengewässer und seine Wasserfläche immer kleiner.
Nach 1838 wurde der damals 107 Hektar große Altrhein um 40 Hektar künstlich abgesenkt und verlor durch Verlandung weitere 10 Hektar. Über eine 1934 eigens gegründete Entwässerungsgenossenschaft wurde über einen breiten Graben und mit Hilfe eines Schöpfwerks der Wasserspiegel um 1,18 Meter abgesenkt und die Wasserfläche von 57 auf 32 Hektar weiter verringert.
Der in Freiburg tätige Professor Dr. Robert Lauterborn, der gerne als „Vater der Altrheine“ bezeichnet wird, lief gegen die Absenkungspläne Sturm. Der Naturwissenschaftlicher hatte bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts den Neuhofener Altrhein erforscht und beschwor das Kulturamt Neustadt von dem Projekt Abstand zu nehmen. „Der Neuhofener Altrhein“, so der Forscher, „nehme als einziger, von Menschenhand wenig veränderter Altrhein eine Ausnahmestellung unter allen Altrheinen zwischen Basel und Mainz ein.“ Und, so Lauterborn weiter: „Die Süßwasserforscher der ganzen Welt kennen den Neuhofener Altrhein, wenigstens aus dem Schrifttum.“
Doch letztlich konnte er sich nicht durchsetzen. Die Verminderung der Überschwemmungsgefahr sowie die Gewinnung von Ackerland wogen schwerer. Doch seine Bemühungen waren nicht völlig vergebens. Im Jahre 1938 wurde der Neuhofener Altrhein nach dem Reichsnaturschutzgesetz „einstweilig sichergestellt“ und 1942 gab es eine Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung „Vogelfreistätte Neuhofener Altrhein“, die aber „bis nach dem Krieg“ zurückgestellt wurde.
Ende 1970 war es dann endlich soweit: Im Süden des Altwassers wurde eine Fläche von rund 50 Hektar und 1984 nördlich davon elf Hektar unter Naturschutz gestellt. Doch das Paradies ist schon stark angekratzt. Eine Synthese zwischen Naturschutz, stofflichem und morphologischen Gewässerschutz sowie den Belangen der Naherholung und der angrenzenden Bewirtschaftung ist bis heute nicht erreicht worden.