''Regino von Prüm'', der in Altrip geborene Benediktinermönch, gilt allgemein als Verfasser der ältesten deutschen Weltgeschichte. Sein 908 vollendetes Geschichtswerk ''Chronica'' ist zwar mit vielen geschichtlichen Fehlern und im ersten Teil auch mit sehr schlechtem Latein behaftet, dennoch war sein Werk über viele Jahrhunderte hinweg stark verbreitet und wurde 1521 gar mittels der damals neuen Buchdruckerkunst in Mainz verlegt.
Doch schon zwei Jahre zuvor lieferte er ein im Auftrag von Erzbischof Radbod von Trier erstelltes Handbuch für die Abhaltung kirchlicher Sendgerichte ab. Keinem Geringeren als Erzbischof Hatto I. von Mainz, dem Primas des Deutschen Reiches und Vormund von König Ludwig dem Frommen, widmete er sein zweibändiges und über tausend Fragen und Kapitel umfassendes Werk ''De synodabilus causis et disciplinis ecclesiasticis'' ab. Unter diesem unverfänglichen Titel verbargen sich Bußbücher mit einem umfangreichen Sündenkatalog und Straftarifen.
Die ''Disziplin des Klerus und der Laien'' sollte fortan für viele Millionen Menschen schicksalhaft, zum Teil gar lebensbedrohlich werden. Sein Visitationshandbuch, das den Bischöfen für ihre Besuche vor Ort als Leitfaden diente, hatte in Teilen bis 1917, also über 1000 Jahre Gültigkeit. Regino war es, der im deutschen Sprachraum erstmals von Frauen schrieb, die mit einer Schar von Dämonen zu bestimmten Nächten auf bestimmten Tieren durch die Lüfte ritten und daher aus der Pfarrei hinauszuwerfen seien. In mittelalterlichen Notzeiten, wie dem 30-Jährigen Krieg sowie zu Zeiten der Pest, trieb der Hexenwahn nirgends in Europa solche Blüten wie in Deutschland.
Doch noch länger überdauerte Reginos Regel: ''Wenn jemand zur Befriedigung seiner Lust, aus bewusstem Hass einem Mann oder einer Frau etwas antut, so dass von ihm oder ihr keine Kinder geboren werden, oder wenn einer ihnen zu trinken gibt, so dass er nicht zeugen oder sie nicht empfangen kann, so soll er für ein Mörder gehalten werden.'' Bis 1917 war dieser Satz aus dem Jahre 906 Bestandteil des katholischen Kirchenrechts. Doch mehr noch: Verschiedene Sexualpraktiken, die von der vorgeschriebenen ''Verkehrshaltung'' abwichen, wurden teilweise drakonisch bestraft.
Während des ganzen Mittelalters wurde den Eheleuten aufgegeben, wann sie nicht miteinander verkehren durften und welche Strafe es bei Wasser und Brot bei Übertretungen dieser Regel gab. Verboten war etwa der Verkehr 40 Tage vor Ostern, 20 Tage vor Pfingsten, 20 Tage vor Weihnachten, an allen Sonntagen und den damals sehr vielen kirchlichen Festtagen. Mit den Zeiten der persönlichen Verbote, etwa während der Menstruation, der Wöchnerinnen- und Stillzeiten blieb nicht mehr allzu viel ''Verkehrszeit'' übrig. Hinzu kamen zum Teil lange Zeiten der Kirchenbußen. Wer allerdings genügend Geld hatte oder im Suff handelte, war besser dran. Regino legte in seinem Buch fest, wer sich während der Fastenzeit ''besudelt'' hatte, bekam eine Buße von einem Jahr oder musste Geld berappen. ''Wenn du es im Rausch getan hast, nur 40 Tage.'' Nach Regino mussten die Geistlichen die Gläubigen ausdrücklich belehren, wann sie sich zu enthalten hatten.
Doch Regino kündete nicht nur von ''luftfahrenden Frauen'' und mörderischer Empfängnisverhütung, sondern er gehörte auch zu den Verfechtern der Ehelosigkeit der Geistlichen: ''Wenn ein Priester eine Frau nimmt, soll er abgesetzt werden.'' Dennoch waren zu seiner Zeit gut die Hälfte aller Geistlichen verheiratet. Regino gab in seinem Visitationshandbuch exakte Anweisungen zur Kontrolle der Priester. So sollte der Bischof bei seinen Besuchen etwa darauf achten, ob der Priester neben der Kirche ein Kämmerlein hatte.
Regino war sicher kein ausgesprochener Neuerer oder Eiferer; er trug vielmehr alle Quellen aus mehreren Jahrhunderten aus Konzilsbeschlüssen, päpstlichen Dekretalien, Ordensregeln und anderen Bußbüchern zusammen. Auch weltliche Bestimmungen aus Capitularien, dem germanischen Volksrecht und dem römischen Recht sind bei ihm zu finden. Der Grund ist einsichtig: Oftmals gab es nämlich neben den staatlichen Strafen, etwa dem Handabhacken bei Meineid, auch noch die entsprechenden Kirchenbußen. An all' diese Sitten erinnert den Betrachter des 1911 vor der evangelischen Kirche in Altrip errichteten Reginodenkmals allerdings nicht.