Selbst für Juristen scheinen Weistümer „spanische Dörfer” zu sein, denn sie werden heute nicht gelehrt und wurden lange Zeit nicht verstanden. Dabei waren die Weistümer zu Beginn des Mittelalters Rechtsbelehrungen für Einheimische, Fremde und Schöffen, die alljährlich öffentlich verkündet wurden und die Grundlage für die spätere Gesetzgebung und Rechtsprechung legten.
Für Altrip gibt es ein renoviertes Weistum aus dem Jahre 1602. „Renoviert” bedeutet, dass ein noch älteres Weistum fortgeschrieben wurde. Erfreulicherweise sind über das Neckarauer Dorfbuch von 1490 wenigstens Hinweise auf die Altriper Fähre erhalten geblieben. So mussten etwa Dauerbenutzer dem Fährmann je Jahr zwei Brote geben oder vier Heller zahlen. Eine Regelung für „Sechsspänner" beweist die hohe wirtschaftliche Bedeutung der Fähre im Mittelalter. Im 19. Jahrhundert dagegen war die Fähre zumeist nur für den Personenverkehr eingerichtet.
Das Weistum, das lange Zeit wohlverwahrt in Speyer lag, wurde während des letzten Krieges zusammen mit anderen alten Dokumenten nach Aschaffenburg ausgelagert und soll durch Brand- und Wasserschaden verloren gegangen sein. So dachte man lange Zeit. Im Juni 1993 bot jedoch ein Privatmann der Gemeinde Altrip das verloren geglaubte Dokument zum Kauf an. Nachdem das Landesarchiv Speyer es als echt anerkannte, kaufte es die Gemeinde und übereignete es dem Landesarchiv.
In 13 Absätzen ist darin das alte Ortsrecht niedergeschrieben. Der Kurfürst der Pfalz als Obergerichts- und Grundherr über Dorf und Gemarkung über „Wald, Wasser und Waid, Grund und Boden, Stein und Stock, Hagen und Jagen” erhielt danach die Beet, eine Art Grundsteuer. Es finden sich außerdem Regelungen über Streitigkeiten – so musste „Messer ziehen” vor die Amtsleute des obersten Gerichtsherrn gebracht werden – über die Atzung, die Kirche und die Fähre. Für den Hausbau wurden gar Fristen vorgesehen. War das Haus zu Weihnachten noch nicht gemauert, gedeckt und geklebt, so war eine saftige Straffe fällig.
Im Altriper Weistum sind die minderen Rechte der Ausmärker (Fremden) unverkennbar. So haben sie „Doppelbeet”, also zweifache Grundsteuer, zu zahlen. Fremde durften auch kein Holz aus Almendstücken kaufen und konnten durch ein Vorkaufsrecht am Erwerb von Liegenschaften in Altrip gehindert werden. Der Feldschütz, ja sogar jeder Gemeinsmann, konnte einen Fremden „bei Frevel” belangen, wobei die Sanktionen beliebig hoch sein konnten. Andererseits wurden durchreisende Fremde, so gebot es wohl die Gastfreundschaft, zumeist umsonst über den Rhein gesetzt. Im 19. Jahrhundert waren die Altriper da schon nicht mehr so human. Wer zwar in Altrip wohnte, da aber nicht heimatberechtigt war, musste den doppelten Fährtarif zahlen.