„Rheinau GmbH” finanzierte den Bau der Fährstraße

Im Jahre 1909 wurde die rund ein Kilometer lange Fährstraße, die dicht am Rhein verläuft, eingeweiht. Doch nicht nur der Bau dieser Straße war damals etwas Besonderes, sondern auch eine Reihe von weiteren Vorteilen für die Gemeinde Altrip. Die Gemeinde kam nicht nur kostenfrei in den Genuss einer höher gelegten und asphaltierten Straße, sondern erhielt auch noch einen schönen Batzen Geld.

Finanziert wurde dies alles von der privaten „Rheinau GmbH”, die zudem im „Ausland”, nämlich im Großherzogtum Baden ihren Sitz hatte und auf Altriper Gemarkung keinerlei Geschäfte verfolgen wollte.

Der Wirtschaftsboom im Deutschen Reich in den Jahren 1895 bis 1900 rief in Mannheim den Junggesellen Joseph Anton Böhm auf den Plan. Als Geschäftsführer der „Rheinau GmbH” ließ er 1896 ausschließlich mit privaten Mitteln die erste Hafenanlage in Rheinau bauen. In großem Stil erwarb die Gesellschaft Gelände für Industrie- und Lagerplätze, schuf eine eigene Hafenbahn, übernahm Hafengebiet und Schiffsverkehr, errichtete Wohngebäude und baute Straßen und Kanäle. Sogar ein Elektrizitäts- und ein Wasserwerk entstanden ausschließlich auf privater Ebene.

Die Gemeinde Seckenheim, zu der damals die Siedlung Rheinau gehörte, war bäuerlich ausgerichtet und ohne Verständnis für industrielle Belange. Und Mannheim weigerte sich gar nahezu 15 Jahre lang, die Rheinau einzugemeinden.

Nachdem sich im Jahr 1900 bereits 50 Firmen im Hafengebiet angesiedelt hatten, schloss Böhm, der gerade für sein Engagement das „Ritterkreuz 1. Klasse des Ordens zum Zähringer Löwen” erhalten hatte, mit dem Altriper Gemeinderat eine weitreichende Vereinbarung. Er wollte auf badischer Seite ein zusätzliches Areal hochwasserfrei auffüllen und kommerziell ausbeuten, nachdem er bereits über drei Millionen Quadratmeter erworben und weiterverkauft hatte.

Die Fachbehörden empfahlen ihm auf Altriper Seite eine Profilerweiterung des Rheines auf 3,5 Kilometer Länge vorzunehmen und zwar durch eine Rückverlegung der Uferzone um etwa zwölf Meter. Das anfallende Material wurde per Schiff „über den Rhein” zur Auffüllung des dortigen Geländes verbracht. Aufgefüllt wurden rund 750.000 Quadratmeter bis zu einem halben Meter über die Rekordhochwassermarke des Jahres 1882.

Altrip erhielt im Gegenzug eine „chaussierte” Straße, die auf 7,50 Meter Höhe ausgelegt wurde. Unterhalb der Fähre und oberhalb der heutigen Rheinstraße richtete die „Rheinau GmbH” einen breiten Ziehweg (Leinpfad) her und schuf an beiden Ufern Zugänge zur Fähre, die auch für den Fuhrwerksverkehr geeignet waren.

Auch der Rheindamm wurde auf einer Länge von über einem Kilometer verstärkt. Mehr noch, in Verlängerung der Römerstraße sollte von der Wirtschaft „Zum Karpfen” eine Straße mit einer Überbrückung des Altrheins gebaut werden. Außerdem wurden 5.000 Mark an die Gemeindekasse fällig. Mit dem so erhaltenen Geld konnte sich die Gemeinde 1909 eine neue Gierfähre anschaffen.

Zwischen der Vereinbarung im Jahr 1900 und der Fertigstellung gab es allerdings wirtschaftliche Turbulenzen. Nachdem 1901 Deutschland in eine Rezession geschlittert war, stürzte das Firmenimperium von Böhm zusammen. Er selbst landete wegen Betrugs gar im Gefängnis. Jahrelang hatte er über die „Aktiengesellschaft für chemische Industrie” Dividenden ausgezahlt, obwohl die Gesellschaft mit Verlust arbeitete, den Böhm anfänglich aus privaten Mitteln abdeckte. Doch das Zahlungsmoratorium der Gläubiger gegenüber der „Rheinau GmbH” sicherte alsbald die Gründung der „Neuen Rheinau GmbH”, und so kam Altrip letztlich doch in den Genuss der vereinbarten Leistungen. Lediglich für die Altrheinbrücke reichte wohl das Geld nicht mehr.

1949 beschloss übrigens der Gemeinderat, auf Antrag des Ersten Beigeordneten Hört, nochmals eine Altrheinbrücke, allerdings von der Schillerstraße aus. Doch es fand sich dafür wohl kein „Finanzier” und somit fiel die Brücke buchstäblich ins Wasser.

(W. Schneider | 2009)
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