In früheren Jahrhunderten fand sich bei den Eintragungen in den Kirchenbüchern nur selten eine Berufsangabe für Frauen. Allenfalls gab es einen Hinweis auf den „Stand” einer Dienstmagd, Bäuerin oder Tagelöhnerin. Eine große Ausnahme bildete die Hebamme. Sie war stets gefragt und stolz wurde daher ihr Name bei ihrer Hochzeit auch vermerkt. Obwohl Altrip zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur 230 Einwohner zählte, gab es im Ort schon eine Hebamme, damals auch Wehmutter genannt.
Ein höchst tragischer Fall ist mit der Hebamme Maria Elisabeth Sauer überliefert, die kurz vor Weihnachten des Jahres 1828 mit 25 Jahren verstarb und ein sechs Monate altes Söhnchen zurückließ. Nachdem ihre Mutter bereits vor Jahren verstorben war und von den acht Geschwistern nur noch ein lediger Bruder lebte, war die Versorgung ihres Kindes höchst problematisch. Sieben Wochen nach ihrem Tod wurde auch ihr Söhnchen bestattet. Da sich die Einwohnerzahl von Altrip in nur einer Generation verdoppelt hatte und so schnell keine neue Hebamme zu bekommen war, betätigte sich die verheiratete Anna Katharina Hoock als Geburtshelferin und die Gemeindeväter sahen dies wohl mit Genugtuung.
Im Jahr 1829 schritt dagegen das „Königliche Landkommissariat” in Speyer ein, da nach den bestehenden Verordnungen nur geprüfte und approbierte Ammen eine solche Tätigkeit ausführen durften. Der Gemeinde Altrip wurde daher aufgetragen, der ungeprüften Hebamme das Ausüben des Hebammendienstes strengstens, zur Vermeidung gerichtlicher Maßnahmen, zu untersagen. Den Altripern wurden die Dienste der Hebamme in Neuhofen empfohlen. Doch schon bald erhielt das Dorf mit Eva Katharina Jacob wieder eine eigene Wehmutter.
Ihre Aufgabe war, Schwangere während der Schwangerschaft zu beraten, bei Entbindungen helfend einzugreifen, das Neugeborene entsprechend zu behandeln und Wöchnerin und Neugeborenes anfangs zu versorgen. Probleme gab es insbesondere bei schwierigen Erstgeburten, denn ein erforderlicher Arzt war vielfach nicht in der erforderlichen Zeit nach Altrip zu bekommen. Entsprechend hoch war denn auch die Säuglingssterblichkeit.
Als Eva Katharina Jacob ihren Dienst als Hebamme im Dorf aufnahm, trat sie in die Fußstapfen ihrer Mutter, die den gleichen Vornamen trug. Siebzehn Jahre lang arbeiteten Mutter und Tochter zusammen. Wollte eine Wöchnerin die Ältere, so wurde nach der „Eva” gerufen, ansonsten nach dem „Evchen”. Im Jahre 1872 setzte sich die Alt-Hebamme mit 65 Jahren zur Ruhe und erhielt von der Gemeinde Altrip auf Lebenszeit einen „Ehrensold” in Höhe von 20 Gulden jährlich. Doch die Begünstigte starb schon ein Jahr später. Die Tochter wurde als Wehmutter in den gemeindlichen Lohnlisten, wie alle anderen Hebammen auch, nicht mit ihrem Vornamen eingetragen, sondern als „Jacob Michael II., Ehefrau”. Berufliche Unterstützung bekam Eva Katharina Jacob, übrigens die Ur-Ur-Großmutter des jetzigen Bürgermeisters der Rheingemeinde, von ihrer Schwiegertochter Elisabeth, der Frau ihres Sohnes Michael, die jedoch schon 1886 mit 24 Jahren verstarb. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts arbeitete neben dem „Evchen” auch „Schneider Konrad III., Ehefrau” (Susanna) als Hebamme. 1905 gab es in Altrip ein Jahrhundertereignis, denn Eva-Katharina Jacob feierte ihr 50-jähriges Hebammenjubiläum. Die Gemeinde zeigte sich deshalb spendabel und stiftete 50 Mark.
Neben dem Duo Jacob und Schneider arbeitete im letzten Jahrhundert auch das „Gretchen” (Margarete Kühner) und ab 1907 für über 40 Jahre Susanne Knauber, die aus Neckarau stammt und selbst, als sie schon in zweiter Ehe verheiratet war und dann Schneider hieß, mit ihrem Mädchenname als „die Bruckerten” zu den Schwangeren gerufen wurde. Sie arbeitete jahrzehntelang mit dem ersten Dorfarzt, Dr. Theodor Horn, eng zusammen und half rund 2000 Altripern auf die Welt. Konkurrenz gab es ab 1926 ausgerechnet aus ihrem Geburtsort Neckarau. Dort hatte Anna Altendorf ein Entbindungsheim eingerichtet. Doch erst im Jahr 1929 gab es die erste Taufe eines Mädchens aus diesem Entbindungsheim, das den Namen Tilla Oda erhielt. In den Folgejahren, insbesondere auch während des Krieges, erblickten bei der „Altendorfer” viele Altriper in diesem Heim das Licht der Welt. Dennoch hatte die Bruckerten zusammen mit Johanna Köhler, die 1937 ihren Dienst aufnahm, alle Hände voll zu tun, inbesondere in den geburtenstarken Jahren 1938/39.
Die letzte Storchentante Johanna Köhler wurde 1945 nach Kriegsende wegen „Doppelverdienertum” bei der Gemeinde Altrip entlassen. Als sie 1969 ihre Hebammentätigkeit aufgab, waren ohnehin nur noch ganz wenige Hausgeburten zu verzeichnen. 1972 konnte das Standesamt sogar kein einziges Mal „Altrip” als Geburtsort mehr in das Register eintragen. Im Laufe des Jahres entschlossen sich jedoch immer wieder einige Frauen, die Dienste einer Hebamme für eine häusliche Wochenbettbetreuung in Anspruch zu nehmen.