Aufgebrachte Kicker attackierten Fährmann

Die Altriper Chronik ist reich an sogenannten Fährabenteuern. Wiederholt riss die Fähre ab und trieb hilflos mit Dutzenden von Menschen an Bord auf dem Rhein, bis sie irgendwo auf einer Kiesbank, an einem Schiff oder einem Ufer „landete”. Die alte Gierfähre war nämlich bis 1958 in der Strommitte an einem 400 Meter langen Drahtseil befestigt, das durch eine Schiffshavarie öfters mal riss und so den rostigen Kahn sich um die eigene Achse drehend abtreiben ließ.

Die Altriper Gierfähre im Jahr 1925

Ein Fährabenteuer der besonderen Art erlebte im Jahr 1926 der Altriper Ortsgendarm, das ihm fast das Leben gekostet hätte. Mitte Januar setzte an einem Sonntag spät abends eine ganze Abteilung von Sportlern des Vereins für Leibesübungen (VfL) Neckarau von Altrip über den Rhein. Mit dem Fährmann, der das Schiff von der Gemeinde gepachtet hatte, gab es eine wüste Auseinandersetzung um den Überfahrtpreis. Der „Ferge” wollte von jedem Fahrgast den doppelten Tarif „weil Sonntag war” und dachte nicht im Traum an eine Gruppenermäßigung, wie sie die Sportler forderten.

Die Fußballer drohten dem Fährmann, ihn ins Wasser zu werfen, zumal der sich weigerte die Fähre in Bewegung zu setzen. Ein Fährbenutzer alarmierte derweil den Altriper Sicherheitskommissär Karl August Schneider, der auch schon bald zusammen mit dem ehrenamtlichen Bürgermeister Adam Jacob angeradelt kam. Mittlerweile hatte sich der Fährmann dem Druck der Sportler gebeugt und diese nach Neckarau übergesetzt. Als er vom jenseitigen Ufer ablegte, stieß er noch böse Verwünschungen aus und kündigte das baldige Erscheinen der Polizei an.

Rund 20 Sportler wollten es daher genau wissen. Sie pflanzten sich an der rechtsrheinischen Abfahrtsrampe auf und waren gespannt, was sich ereignen würde. Tatsächlich kam mit der nächsten Fährankunft der Sicherheitskommissär Schneider. Schnell war er in Diskussionen verwickelt und wurde gar zu Boden geworfen. Die Fähre musste in der Zwischenzeit vom Ufer ablegen, da ein Schiff in schneller Fahrt zu Tal fuhr und sonst die Schifffahrtsrinne eine Tiefe zwischen sechs und acht Metern hatte. Der Täter warf gar noch mit großen Pflastersteinen nach dem schwimmenden Opfer, um zu verhindern, dass es wieder ans Ufer kam.

Durch das Schreien des Gendarms aufgeschreckt, nahm das Fährschiff wieder Kurs auf Neckarau. Als die funzlige Beleuchtung die Ereignisse schemenhaft „aufhellte”, schlug Bürgermeister Jacob von Bord aus mit mehreren Revolverschüssen die Sportler in die Flucht.

So konnte der Gendarm gerettet werden, der jedoch gesundheitlich stark lädiert und längere Zeit dienstunfähig war. Der Haupttäter wurde übrigens noch in derselben Nacht verhaftet. Die spätere Anklage lautete auf Mordversuch und Bürgermeister Jacob kaufte sich neue Patronen.

(Wolfgang Schneider | 2001)
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