Holz für Holland: Die Führer der faszinierenden Floßkonstruktionen, mit denen Baumstämme aus dem Schwarzwald von wagemutigen Männern über den Rhein bis in den Einflussbereich der einstmals führenden Handelsnation, der „Vereinigten Niederlande”, geschafft wurden, kamen am „Altriper Eck” oft in Schwierigkeiten.
Im Mittelalter war der Schwarzwald noch überwiegend von Laubwald überzogen und die Niederlande benötigten jede Menge Holz - insbesondere Eichen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg fuhren bei Altrip große Rheinflöße vorbei, auf denen oft mehr Menschen lebten und arbeiteten (300 bis 500) als die Rheingemeinde Einwohner hatte.
Die von Kinzig und Murg zum Rhein gedrifteten Holzstämme wurden am Rhein zu Langholzflößen zusammengestellt. Auf dem Weg nach Holland mussten die Floßherren viele Zölle entrichten und in den sogenannten „Stapelorten” ihr Holz und ihre „Oblast” (Zuladungen) zunächst dort anbieten. Solch ein Stapelort war auch Mannheim, der um 1660 rund 3800 Einwohner zählte.
Doch kurz vor Mannheim hatten die Flößer am „Altriper Eck” in aller Regel ein größeres Problem. Hier nahmen die Flöße nahezu die gesamte Strombreite in Anspruch und das Umfahren der Landzunge war zusätzlich durch sich ständig verlagernde Sandbänke und seichte Stellen eine Gefahr, zumal ein Floß einen beachtlichen Tiefgang haben konnte. Die großen, nicht schwimmfähigen Eichenstämme mussten von „Tragtannen” flott gehalten werden, sanken aber sehr oft sehr tief ins Wasser ein.
Wegen der neuralgischen Stromenge bei Altrip konnten erst ab Mannheim Kapitalflöße von 200 Metern und ab Koblenz erste Flöße von 300 bis 400 Metern Länge zusammengestellt werden. Es war keine Seltenheit, dass bei Altrip die Langholzflöße tage- und zum Teil gar wochenlang festlagen und die Besatzung an den Streichen - bis zu 15 Meter lange Ruder, die von fünf bis sieben Mann bedient wurden - sich vergeblich abmühte.
Die Streichen dienten dabei nicht zum Fortbewegen der Holzgiganten, sondern nur zum Steuern. Die eigentliche Fortbewegung der Flöße erfolgte ausschließlich durch die Strömung. Kam es durch die extreme Krümmung bei Altrip zu einer stärkeren Havarie am Ufer oder durch fallenden Wasserstand zu außerordentlichen Liegezeiten, so wurde das Floß an Ort und Stelle in kleine Einheiten zerlegt und so die letzten Kilometer nach Mannheim geschafft.
Die Arbeit auf einem solchen Floß war hart und gefährlich und viele machten vor Fahrtantritt ihr Testament. Wenn alles gut lief, so waren die schwimmenden Ungetüme in einem Vierteljahr an ihrem Bestimmungsort Dortrecht in den Niederlanden. Die Fahrt konnte aber deutlich länger dauern. Auf den großen Holländerflößen befanden sich daher ab Mannheim auch rund ein Dutzend Hütten. Da der Rhein noch kein einheitliches und befestigtes Bett hatte und auch genaue Stromkarten für die Schifffahrt und die Flößerei fehlten, lag es an der genauen Stromkenntnis des Steuermanns, wie gut die Fahrt lief. Auf einzelnen Stromabschnitten stiegen daher ortskundige „Schiffige” zu und wurden dafür auch gut entlohnt. Wer nicht zur Stammmannschaft gehörte, die die gesamte Fahrt mitmachte und in Dortrecht das Floß zerlegte und die restliche Oblast zum Verkauf aufstapelte, musste zu Fuß den Heimweg antreten. Erst nach zwei, drei Monaten trafen diese Männer wieder in ihren Heimatdörfern ein und hatten zwischenzeitlich den gesamten Lohn aufgebraucht.
Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt, dem vermehrten Bau von Schiffsbrücken und Schiffsmühlen und natürlich auch von festen Brücken mit ihren Strompfeilern, wurde das Geschäft der Flößer immer schwieriger und teurer. Der Wahrschauer, der in einem Kahn in aller Regel einem Floß „eine Stunde” vorausfuhr, um Fischer sowie Mühlen- und Schiffsbrücken- sowie Fährleute vor dem herannahenden Floß zu warnen, konnte nach der Rheinregulierung nach Tullas Plänen kaum noch etwas ausrichten. Die Flöße wurden gesetzlich auf eine Länge von rund 150 Metern „zusammengestutzt” und zumeist von Dampfschiffen gezogen. Doch wer etwas Glück hatte, konnte ein solches Floß noch um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts auf dem Rhein sehen.