Wie schon erwähnt, befindet sich neben der Jahreszahl ein „S" mit einem durchgehenden, senkrechten Strich. Dies deutet auf das Dorfzeichen von Seckenheim hin. Bei den Zeichen auf den Grenzsteinen ist zwar der senkrechte Strich leicht schräg von links unten nach rechts oben. Da es sich um eine evtl. einmalige Auftragsarbeit handeln könnte, ist dieser unbedeutende Fehler zu erklären.
In unserer Gegend gibt es noch weitere Dorfzeichen. Für Waldsee steht ein Kreis mit einem waagerechten Strich in der Mitte, für Neuhofen eine Raute mit einem gekrümmten Stab an der oberen Spitze. Für Altrip ist kein Dorfzeichen überliefert. Mit dem Dorfzeichen wurde der gemeinsame Besitz gekennzeichnet, wie z.B. in Seckenheim das Rathaus, der Kirchturm und das kath. Schulhaus.
Rinder und Pferde wurden mit einer Eigentumsmarkierung versehen. Bei den Rindern wurden die Hörner mit dem Dorfzeichen und dem Hofzeichen markiert. Die Pferde erhielten ein entsprechendes Brandzeichen. Bei entlaufenen Tieren wusste man sofort, aus welchem Dorf das Tier stammt. Rinder mit abgesägten Hörnern galten ohne Eigentumsnachweis als gestohlen.
Das Dorfzeichen war auch Teil der Grenzzeichen. Das Grenzzeichen bestand aus dem Dorfzeichen, der Jahreszahl der Markung und der laufenden Nummer des Grenzsteins. Somit steht fest, dass das Dorfzeichen vielfältige Verwendung erfahren hat, nicht nur bei der Beschriftung der Grenzsteine.
Da der Brunnen Altrip nicht zuzuordnen ist, stellt sich die Frage, wo er im Jahre 1759 stand. Für einen Gemarkungsbrunnen spricht das Dorfzeichen. Er muss an einer Stelle gestanden haben, die so weit von Seckenheim entfernt ist, dass eine Kennzeichnung Sinn macht. Da kommt nur das hintere Seckenheimer Ried in Frage, da es Altrip als späterem Standort am nächsten lag.
Aus unserer heutigen Sicht kann man leicht zu dem Schluss kommen, dass schon immer der Ackerbau in unserer Gegend Vorrang vor der Viehzucht hatte. Aber die alten Flurnamen sprechen eine andere Sprache. Die Rheinniederung und die Feuchtgebiete der ehemaligen Flussarme waren fast ausschließlich Weiden oder Wiesen. Weiden waren der sommerlichen Beweidung vorbehalten. Auf den Wiesen wurde das Heu für die Winterfütterung der Rinder gewonnen.
Hat man im Seckenheimer Ried Mitte des 18. Jahrhunderts Gemarkungsbrunnen benötigt? Dies muss man eindeutig bejahen. Das damalige hintere Ried diente wegen seiner weiten Entfernung zum Dorf fast ausschließlich der Vieh- und Pferdezucht. Es bestand u. a. aus über. 600 Morgen Grünland (Wiesen und Weiden). Der Seckenheimer Viehstand im Jahr 1758: 130 Pferde, 10 Ochsen, 264 Kühe, 25 Rinder (Stiere und Jungvieh).
Die Rinderzucht erfolgte im Sennereibetrieb auf der Allmende bis zur Umstellung auf die ganzjährige Stallfütterung. Die Umstellung erfolgte ab dem Jahr 1770. Die Allmende besteht meist aus Grundvermögen (Wiesen, Wald), an dem alle Gemeindemitglieder das Recht zur Nutzung haben. Die Nutzung erfolgt entweder ungeteilt, durch alljährliche Verleihung nach Losen oder öffentliche Verwaltung und Verteilung des Ertrages.
Zu der Allmende im hinteren Ried gehörte auch der Grundbesitz des Riedschützen und der Genossenschaft (48 Stämme). Die Anteile an der Genossenschaft konnten nur an Seckenheimer Bürger vererbt oder verkauft werden. 1806 erfolgte letztmals die wirtschaftliche Nutzung des hinteren Rieds. Erst 1808 und 1810 erfolgten Massenverkäufe von Grundstücken an Altriper Bürger.
Wie lief nun der Sennereibetrieb ab? Den Seckenheimern war die Benutzung der Viehweiden in der Allmende zwischen 23.04. und 29.09. gestattet. Am Georgitag (23.4.), dem Tag nach der Walpurgisnacht (1.5.) oder dem Pfingsttag war der Viehauftrieb. Das geschmückte Vieh wurde aus den Ställen geführt und über die Feldflur zum Sammelplatz getrieben, wo die Herden aufgeteilt wurden und die Hirten die Weidelose für die unterschiedlichen Weiden der Allmende zogen.
Der Sammelplatz für Seckenheim war der Pfingstberg (nicht identisch mit gleichnamigem Stadtteil). Von dort wurde das Vieh auf die Sommerweide getrieben, wo es bis Ende September blieb. Auf dem halben Weg vom Dorf zu den Weiden auf dem hinteren Ried konnte das Vieh am Kühbrunnen bzw. Hirtenbrunnen getränkt werden. Auch im vorderen Ried befanden sich Brunnen.
Aufgrund des hohen Viehbestandes und der ständig anwesenden Personen (Riedschütz, Hirten, Senner und Erntepersonal) dürften sich Hirten- und Sennhütten und Brunnen im hinteren Ried befunden haben. Ein Teil der Molkereiprodukte (Butter, Käse) musste an die Obrigkeit abgegeben werden. Auch für die Herstellung dieser Produkten und für die Pferdezucht (Follenwaid = Fohlenweide) war sauberes Wasser erforderlich.
Nach dem Rheindurchbruch Ende des 16. Jahrhunderts genehmigte die Kurpfälzische Hofkammer im Jahr 1607 eine Fähre zur Bewirtschaftung des „Hinteren Seckenheimer Rieds". Der Transport des Brunnens über die Seckenheimer Fähre dürfte kein Problem gewesen sein. Der Brunnen besteht aus 7 Teilen, die je nach Gewicht einzeln oder zu zweit gut zu transportieren sind. Es wurden 1779 auch 52 Grenzsteine mit nicht unerheblichem Gewicht über die Fähre zum Seckenheimer Ried befördert.
Als Zugtiere für Transporte verwendete man meist Pferde. Es ist überliefert, dass beim Heu holen aus dem hinteren Ried Bauern genannt werden, die mit 2, 4 oder gar 6 Pferden ins Heu fuhren Es handelte sich wohl um einen so großen Heuanfall, dass bis zu drei Fuhrwerke zum Abtransport nötig waren.
Noch einige Anmerkungen zur Fährverbindung. Im Gegensatz zur Altriper Fähre, die auch überregionale Bedeutung hatte, wurde die Seckenheimer Fähre nur bei Bedarf für die Bewirtschaftung des hinteren Rieds eingesetzt. Sie muss nicht gerade klein gewesen sein, wenn sie sogar mehrspännige Fuhrwerke transportieren konnte. Bei Niedrigwasser kann die Überquerung über eine Furt möglich gewesen sein. Noch heute ist bei steigendem Wasserspiegel (ca. 3,50 m Pegel Mannheim) zu beobachten, dass der Altrheinboden an der Stelle des Rheindurchbruchs innerhalb der „Klamm" (Altrheinarm) zuletzt überflutet wird.