Wegen unterschiedlicher Systemgrenzen bei der Rheinvermessung gibt es heute noch an drei Stellen einen kurzen Rheinkilometer. Einer davon befindet sich in der Nähe von Roxheim (Ortsteil von Bobenheim-Roxheim). Vom Rheinkilometer 436 bis 437 sind es nur 635 m. Wenn man eine Schifffahrt von Mannheim nach Worms unternimmt, sollte man darauf achten. Dies ist die letzte Besonderheit in den Rheingemeinden des Rhein-Pfalz-Kreises. Einen zweiten kurzen Rheinkilometer in Rheinland-Pfalz findet man in der Nähe von Bingen (Rheinkm 529 – 530).
Wenn von der Rheinregulierung gesprochen wird, taucht meist nur der Name von Johann Gottfried Tulla (20.03.1770 - 27.03.1828) auf, obwohl auch nach ihm fähige Ingenieure die Regulierung des Stroms vorantrieben. Nach seiner Ausbildung im Straßen- und Wasserbau trat Tulla mit dem Titel Hauptmann als Oberingenieur in den Dienst Badens ein.
In dem Ingenieur-Offizier vereinigten sich organisatorisches Können, mathematische Begabung und ingenieurwissenschaftliche Brillanz. Bereits der von ihm geplante und geleitete Auf- und Ausbau des badischen Straßennetzes, des sogenannten Staatsstraßenverbands, gehörte zu den Errungenschaften, die für das junge Großherzogtum unschätzbare politisch-gesellschaftliche Bedeutung hatte. Erst recht trifft dies für das Jahrhundertwerk zu, das Tulla 1809 begann und 1812 unter der schlichten Bezeichnung „Rheinkorrektion" in Gang setzte. 1817 erfolgte der erste Durchstich bei Knielingen.
1824 gab es ein schweres Hochwasser, das die Richtigkeit der Tullaschen Maßnahmen bewies. Die bereits begradigten Abschnitte blieben vom Hochwasser verschont. 1825 wurde eine Übereinkunft über weitere Begradigungen von Linkenheim bis zur Mündung des Frankenthaler Kanals getroffen dadurch verkürzte sich dieses Teilstück von 135km auf 86km. Im Alter von 58 Jahren verstarb Tulla in Paris an Malaria, mit der er wohl bei den Arbeiten in den sumpfigen Rheinniederungen infiziert wurde.
Sein gewaltiges, bis ins kleinste Detail errechnetes Werk wurde erfolgreich fortgeführt, auch dank Hauptmann Philipp Jakob Scheffel (09.06.1789 -16.01.1869), dem Vater des Dichters Victor von Scheffel. Scheffel war für die Rhein-Grenzkommission tätig und zuständig für Vermessungsarbeiten, die Grenzregulierung mit Frankreich und die weitere Fortführung der Rheinbegradigung.
Ein weiterer wichtiger Mann, der das Werk Tullas fortführte, war Max Honsell (10.11.1843-01.07.1910). Er studierte an der von Tulla gegründeten Ingenieurschule in Karlsruhe. Bereits mit 21 Jahren begann er seine Arbeit als Wasserbauingenieur 1865 beim Altriper Durchstich. Honsell hat dafür gesorgt, dass der Rhein ab Mannheim stromaufwärts auch für die Großschifffahrt passierbar war, ohne dass ein Kanal gebaut wurde.
Die Städte Karlsruhe, Kehl, Rastatt, Speyer und Straßburg wollten in ihrem Bereich einen Rhein-Seitenkanal. Sie versprachen sich davon eine bessere Anbindung an den Schiffsverkehr. Honsell hatte eine billigere Lösung durch den Einbau von Buhnen und Kolken anzubieten. 1897 legte er seinen Entwurf vor. Nachdem die Regierungen von Bayern und Elsass-Lothringen dem Projekt zugestimmt hatten, begannen 1907 die ersten Arbeiten. Unterbrochen durch den 1. Weltkrieg wurde die Regulierung 1924 in Straßburg beendet. Honsell hat den Abschluss seines Projekts nicht mehr erlebt. 1906 wurde er badischer Finanzminister. 1910 verstarb er im Alter von 66 Jahren in Karlsruhe.
Dies war nun ein grober Überblick über den Beginn der Rheinregulierung durch Tulla und seine Nachfolger. Doch woher kam Tulla und wer hat ihn gefördert? Wo hat die Rheinregulierung vor Tulla ihren Ursprung? Um hier weiter in der Geschichte zurück zu gehen, muss man die Pfalz und den Rhein-Pfalz-Kreis verlassen. Es war schon immer so, dass kulturelle, technische und andere Entwicklungen nicht an Grenzen gebunden waren oder dort Halt machten.
Wenn man nach den Ursprüngen für heutigen Zustand des Rheins sucht, stößt man auf die Rheindeichordnung von 1779 für den Bereich Baden, erlassen durch den Markgraf Karl Friedrich von Baden. Dies zeigt auch, dass der pfälzische Kurfürst als Herrscher des Rheins an Einfluss verloren hat. Noch 1775 suchte der Bischof von Speyer bei ihm um eine Genehmigung nach, um seinen vom Rhein bedrohten Besitz durch Baumaßnahmen schützen zu dürfen. Dies lehnte der Kurfürst zu diesem Zeitpunkt noch ab.
Karl Friedrich (22.11.1728 -10.06.1811) erreichte das hohe Alter von 82 Jahren. Es gibt von ihm eine interessante Biografie von C. F. Nebenius. Aus dessen Nachlass wurde sie 1868 herausgegeben durch Friedrich von Weech. Seine Kindheit und Jugend verbrachte Karl Friedrich in England, einer der damals technisch führenden Nationen. Dies beeinflusste positiv sein späteres Handeln. Er zeigte, dass ein Fürst durchaus ein guter und gerechter Diener seines Volkes im demokratischen Sinn sein kann. Deshalb hat er auch heute noch im badischen Raum einen sehr guten Ruf.
Er führte die Regierungsgeschäfte im Sinne der Aufklärung. Er trat als Förderer von Schulen, insbesondere von Ingenieurschulen und Universitäten auf. Es wurde eine funktionierende Verwaltung aufgebaut. Die Justiz wurde reformiert. Straßen wurden gebaut. Nebenflüsse des Rheins wurden reguliert. Er setzte sich auch für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft ein. Die Leibeigenschaft hob er bereits 1783 auf, noch vor den Franzosen. Er schaffte es, die beiden Markgrafschaften zu vereinen. In den Jahren 1803 bis 1810 erreichte Baden in Folge der napoleonischen Neuordnungen erhebliche Gebietsgewinne.
Diese Ausführungen haben anscheinend nichts mit dem Rhein-Pfalz-Kreis zu tun, stellen aber die Grundlage für die weitere Entwicklung des Rheinstroms dar. In der bereits erwähnten Biografie, die der Verfasser im April 1996 eingesehen und zum Teil kopiert hat, ist ein Abschnitt enthalten, der selbst profunden Tulla-Historikern nicht bekannt ist. Dies wurde mehrmals bei weiteren Nachforschungen festgestellt.
Unter anderem steht folgendes wörtlich in der Biografie von 1868: „Karl Friedrich wusste die Dienste, welche die öffentliche Verwaltung in den ihr heimfallenden Gebieten der Technik dem Gemeinwohl zu leisten vermag, in ihrem ganzen Umfang zu schätzen Um sie seinem Lande in reicherm Maaße zu gewähren, war für das Heranziehen einer hinreichenden Anzahl wissenschaftlich gebildeter Techniker zu sorgen, woran es fast allerwärts fehlte.
Der Markgraf hatte bereits 1775 einen der Ingenieurwissenschaften kundigen Engländer (Hauptmann Burdett) in seine Dienste genommen, dem er in technischen Fragen sein persönliches Vertrauen schenkte und die Leitung wichtiger Unternehmungen, wie gleich anfänglich (1775) die trigonometrischen Landesaufnahmen, übertrug.
Um junge Männer zum Studium des Ingenieurfachs anzufeuern, wurde 1776 beschlossen, die bis zum Schlusse der markgräflichen Periode in den größeren Aemtern bestandenen Stellen der Landcommissionäre, welche verschiedene auf das Renovationswesen, auf Cultursachen, das Frohndenwesen, den Straßenbau u. s. f. bezügliche Geschäfte zu besorgen hatten, künftig nur mit Ingenieuren zu besetzen. Talentvolle junge Militärs und Geometer wurden unterstützt und angeleitet, um sich höhere technische Bildung zu erwerben.
Unter diesen erkannte Burdett im Anfang der 1790er Jahre Tulla als ein hervorstechendes Talent. Der Markgraf gewährte ihm die Mittel, seine wissenschaftliche Ausbildung im Auslande (bei Langsdorf, später bei Wiebeking) und auf Reisen zu vollenden. Nun war, da Tulla sich zugleich dem Unterricht widmete und hiezu die Lehrer der Physik, der angewandten und der reinen Mathematik (Böckmann und Wucherer) mitwirkten, eine Schule für Ingenieure selbst gewonnen. Aus ihr ging eine Reihe tüchtiger Männer hervor, die auch in der späteren Zeit, als der große Meister nicht mehr wirkte, bei allen bedeutenden Unternehmungen die Hülfe ausländischer Techniker entbehrlich machten, welche andere Länder theuer erkaufen mußten."